Nach unserem Urlaub geht es jetzt auch wieder mit dem Blog los. Bevor es in der Konkret-starten-Serie weitergeht, zwischendurch ein Artikel, den ich für Brennpunkt Gemeindegründung geschrieben habe:

Gemeindegründung durch Hauptberufler oder Zeltmacher

Paulus traf auf seiner zweiten Missionsreise in Korinth auf Priszilla und Aquila, die Zeltmacher von Beruf waren. Paulus schloss sich ihnen an, da er ebenfalls gelernter Zeltmacher war (Apg 18,3). Tarsus, die Geburtsstadt von Paulus, war bekannt für die Herstellung von Zelten und es ist anzunehmen, dass dort Paulus sein Handwerk als Zeltmacher gelernt hat. Zu Beginn seines Dienstes in Korinth arbeitete Paulus als Zeltmacher und unterredete sich in seiner ihm verbleibenden Zeit mit den Juden in der Synagoge und ging seiner Missionsarbeit nach. Darum reden wir auch heute noch von Zeltmachern: Menschen arbeiten in einem Beruf, um so ihre eigentliche Berufung als Gemeindegründer zu finanzieren.

Ich bin selbst diesen Weg gegangen: Zum Teil aus Not heraus, zum Teil aus Überzeugung. Als ich 2005 den Schritt aus dem klassischen (in meinem Fall baptistischen) Gemeindesystem heraus machte, gab ich auch meinen Beruf und mein Einkommen als Pastor auf.

Beim Betrachten von Gemeindegründungsbewegungen weltweit fielen mir zwei Dinge auf, die die Multiplikation von Jünger und Gemeinden gestoppt haben: Überall dort, wo begonnen wurde, Pastoren Gehälter zu zahlen oder Gebäude gebaut wurden, stoppte die Multiplikation. Ich dachte daher damals so: „Ich möchte Bewegungen in Deutschland sehen. Wenn Jünger und Gemeinden sich nur multiplizieren, wenn keine Gehälter gezahlt werden, dann darf ich auch kein Gehalt beziehen und muss als Zeltmacher für mein eigenes Auskommen sorgen.“ Daher gründete ich Anfang 2006 mein eigenes Gewerbe und fing an, T-Shirts zu bedrucken und diese im Internet zu verkaufen (www.milchundhonig.de). Ich arbeitete in diesem Beruf zunächst teilzeitlich und später auch vollzeitlich. In dieser Zeit lernte ich einige Dinge:

Voll zu Arbeiten bedeutet im Normalfall auch weniger Zeit für den Dienst.

Wer acht bis zehn Stunden am Tag für seinen Lebensunterhalt sorgen muss und während der Arbeitszeit nur mit wenigen Leuten in Kontakt kommt, hat nur begrenzt Zeit, missionarisch zu wirken. Es sei denn, man hat den optimalen Zeltmacherjob:

David Watson erzählte von einem Gemeindegründer in Indien, der seinen Lebensunterhalt damit bestritt, Fahrrad-Rikschas zu reparieren. Und während er die Fahrräder reparierte, kam er ins Gespräch mit den Besitzern der Räder, die auf die Fertigstellung der Reparatur warteten. So kam dieser Rikscha-Reparateur während seiner Arbeit jeden Tag mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Mit jedem redete er auch über geistliche Dinge und fand so immer wieder Menschen, die stärker daran interessiert waren und konnte so viele Gemeinden gründen. Eine ideale Zeltmacherarbeit also: Während der bezahlten Arbeitszeit mit vielen Menschen in Kontakt kommen, um so den Samen des Evangeliums zu säen und zu schauen, wer darauf reagiert. Es wäre natürlich interessant einmal zu überlegen, welche vergleichbaren Jobs sich in Deutschland mit dieser Zielsetzung anbieten würden (Taxifahrer sollen ja zum Beispiel viele interessante Geschichten hören), aber die meisten Jobs bedeuten wohl, dass man auch weniger Zeit mit Menschen verbringen kann, die Jesus noch nicht kennen.

Man lernt, effektiver zu sein und die Prioritäten zu ordnen.

Mein Zeltmachertum lehrte mich, deutlich effektiver zu arbeiten: Wer Zeit verschwendet und Energie nicht fokussiert, kommt zu nichts. Darüber hinaus lernt man Prioritäten zu setzen: Was ist mir wirklich wichtig? Womit will ich meine Zeit verbringen? Was ist überflüssig, was ist nett (wenn man die Zeit hat), was ist absolut notwendig? Wenn mir heute Leute sagen, dass sie keine Zeit für Gebet oder für missionarischen Dienst haben, dann frage ich sehr konkret danach, womit sie ihre Tage füllen: Was sind die Dinge, die du tun musst (z.B. Arbeit)? Was sind die Dinge, die Gott darüber hinaus absolut von dir möchte (z.B. Zeit mit der Familie verbringen)? Womit ist deine Woche sonst gefüllt? Menschen sind oft überrascht, wie wenig diese letzten Dinge (z.B. x Stunden Fernsehen) die Dinge widerspiegeln, die ihnen eigentlich wichtig sind.

Entweder lernt man als Zeltmacher mit seiner Zeit effektiv umzugehen oder man schafft als Zeltmacher gar nichts. Und selbstverständlich fällt gegenüber Zeltmachern auch das von Gemeindemitgliedern viel gehörte Argument weg: „Du als Hauptamtlicher hast hier leicht reden, ich hab auch noch eine Arbeit.“ Der Zeltmacher steht vor denselben Herausforderungen wie ein „normaler“ Arbeitnehmer und muss diese für sich lösen.

Unreife als Grund für Paulus‘ Zeltmachertum?

Wir lesen in Apg 18,5 davon, dass Paulus sich „ganz auf die Verkündigung des Wortes“ konzentrierte, nachdem Silas und Timotheus aus Mazedonien gekommen waren. Paulus spricht davon, dass er von anderen Gemeinden aus Mazedonien Geld genommen hatte, um den Korinthern dienen zu können, ohne ihnen zur Last zu fallen (2.Kor 11:8-9). Was war der Grund dafür, dass Paulus arbeitete oder sich von anderen Gemeinden unterstützen ließ? Im Brief an die Korinther, unter denen er zunächst selbst als Zeltmacher gearbeitet hatte, stellt er rhetorische Fragen: „Haben wir nicht das Recht, zu essen und zu trinken? Oder haben allein ich und Barnabas nicht das Recht, nicht zu arbeiten?“ (1Kor 9,4.6) Die implizierte Antwort darauf ist: „Natürlich haben wir das Recht“. Die Unmündigkeit der Korinther, die noch nicht verstanden hatte, dass er das Recht hatte, Unterstützung von ihnen zu erhalten, war es wohl, die ihn dazu brachte, zunächst für seinen Unterhalt selbst zu sorgen.

Auch aus seiner Zeit in Thessalonich wissen wir, dass Paulus dort „Nacht und Tag“ gearbeitet hat, um keinem der Thessalonicher zur Last zur fallen. Auch hier redet Paulus von seinem Recht, auf das er verzichtete: „Nicht, dass wir nicht das Recht dazu haben, sondern damit wir uns euch zum Vorbild gäben, damit ihr uns nachahmt“ (2.Thess 3,9). Aus den folgenden Versen lässt sich erahnen, dass auch hier Paulus unmündigen und unreifen Christen ein Vorbild sein wollte (Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen, Vers 10). Interessant ist, dass wir auch hier lesen können, wir andere ihn in dieser Zeit finanziell unterstützten (Phil 4,16).

Was heißt das für mich persönlich?

Zu Beginn meines Weges nahm ich an, dass ich selbst arbeiten muss, damit Gemeinden sich multiplizieren können, da angestellte Pastoren die Multiplikation von Gemeinden stoppen. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass angestellte Pastoren die Multiplikation von Gemeinden behindern oder stoppen, aber mittlerweile weiß ich, dass meine Rolle weder die eines normalen Gemeindemitglieds noch die eines Pastors ist. In meiner apostolischen (gesandten gründenden) Rolle lebe ich in der Spannung zwischen eines umfangreicher werdenden Dienstes und der Vorbildfunktion unter solchen Menschen, die nicht mehr arbeiten, um zu essen, sondern von Sozialleistungen leben. Das ist oft eine große Spannung, aber warum sollte es mir besser gehen als Paulus? Verglichen mit ihm, geht es mir blendend.

Was haben Gemeinden davon zu lernen?

Bestehende Gemeinden können daraus lernen, dass apostolisch begabte und bestätigte (!) Menschen nicht nur das Recht haben, unterstützt zu werden, sondern auch unterstützt werden sollen. Sicher wird es wie bei Paulus immer wieder Gründe geben, warum ein Gemeindegründer unter denen, die er erreichen und zu Jüngern machen möchte, selbst arbeitet, weitaus öfter ist es aber so, dass apostolisch begabte Gründer arbeiten müssen, weil die bestehenden Gemeinden ihren Dienst nicht unterstützen und das Geld stattdessen in Pastorengehälter oder Gebäude investieren. Hiermit haben international viele Gemeindegründer zu kämpfen. Sie sollten, wenn sich ihr Dienst bestätigt hat, von den bestehenden Christen unterstützt werden, damit sie sich mit größerer Kraft in der Erntearbeit einbringen können, denn die Ernte ist reif. Und während der Erntezeit nimmt kein Bauer der Welt noch Nebenjobs an. Jede Hand wird gebraucht!