Quelle: Catalyst Vimeo-Video

Quelle: Catalystvideo auf Youtube

Ich möchte heute die Frage danach, was denn nun die gute Nachricht (heute) wirklich ist, weiterführen mit einem großartigen Interview, das John Ortberg 2010 bei einer Catalyst Konferenz mit Dallas Willard geführt hat.

Dallas Willard, am 8. Mai diesen Jahres verstorben, war Pastor, Theologe, Autor und Professor, der viele grundlegende Bücher geschrieben hat: Unter anderem Das Geheimnis geistlichen WachstumsJünger wird man unterwegs: Jesus-Nachfolge als LebensstilDie eine, sanfte Stimme oder bisher nur auf englisch The Divine Conspiracy.
Seine großen Themen waren sicherlich die geistlichen Disziplinen, Jüngerschaft und das Reich Gottes.

In diesem Video sprechen John und Dallas über drei Themen, die für uns Reise sehr relevant sind: Evangelium, Reich Gottes und Gnade.

Die 6:41 Minuten des Videos sind gut investierter Zeit.

Da einige vielleicht mit dem Englischen Schwierigkeiten haben, habe ich die für uns entscheidenden Abschnitte zuerst transkribiert und dann übersetzt.

Hier zunächst das englische Interview, dann meine deutsche Übersetzung. Ich habe einige aus meiner Sicht wichtige Abschnitte fett markiert. Anschließend ein paar weiterführende Gedanken von mir dazu:

John Ortberg: What has the church not been getting right, that you think perhaps God is calling  this generation of church leaders to get right, that needs to be gotten right?

Dallas Willard: Their problem is with their message. What is the central message?
And the inability to make touch with what Jesus himself presented as the central message undermines all of the efforts of the church, because unless you understand that Jesus invites us through faith in him (that means putting your confidence in him) to actually live in the kingdom of God now, there will not be a basis for discipleship and transformation.

Ortberg: When I was growing up in the church, the central message was real clear: It was the Gospel. And what we thought of as the Gospel was: It was the anouncement of the minimum entrance requirements for getting into heaven when you die.

Willard: Yes, it’s kind of like passing the written part of the driver’s test.

Ortberg: So if the Gospel of Jesus isn’t primarily „Here’s how to make sure you get to heaven when you die“ what is the Jesus‘ Gospel?

Willard: It’s how to get into heaven before you die.
That is why the NT e.g. routinely treats you as if you have already died.
Because you have made a transition from a life on your own to a life that God himself is living in his kingdom.
So you get to be a part of that.
Any NT scholar I believe would tell you:  What did Jesus preach? – they would say „The kingdom of God“
That is not quite right: because what he preached was the availability of the kingdom of God to everyone whereever they were and whoever they were.
So he announces this and by his own presence makes it  available. And once you get that idea then you read the Gospels and you see “ Hey, that’s what’s happening“

Ortberg: Make this concrete for us. The language of the kingdom is Jesus‘ language, but we don’t have kings in this country.
I know when you say you can get into heaven before you die you’re not being glib about that, you have something very real in mind.
Help us understand: What is that reality?

Willard: The important thing to understand The kingdom of God is God in action.
That happens to turn out to be exactly the same thing as Grace.
So Grace becomes now a part of our lives and we experience it with us by faith. We have to learn how do this.
Because we are usually in charge of what’s happening and we have to learn how turn loose of that. And how to live with God being in charge. And we can do it.

Ortberg: I grew up with the idea that Grace was just a synonym for the forgiveness of sins. So really the only people who need Grace are people who are unforgiven sinners.

Willard:
I know that that’s true and I’ve heard leading ministers here in our country say that the only role of Grace is guilt and forgiveness.
That is an incredible misreading that you would get corrected if you just did inductive Bible study with Grace.
You would find almost immediately that it’s for life, not for forgiveness.
It’s for enabling us to live in such a way that God is a part of our lives and helping us to lead the lives that he wants for us.

The sinner is not the one who uses a lot of Grace. The saint uses more grace. The saint burns grace like a 747 burns fuel on takeoff, because everything they do is a manifestation of grace.
And we’re not running out of Grace, there’s lots of it. So we can use it. But we have to learn to do that
And primarily it means that we no longer just trust our own efforts to manage our lives. That’s our kingdom. And unfortunately it turns to be a part of a darker kingdom.

And then when as Colossians 1 says, „We’re are transformed or translated out of the kingdom of the darkness into the kingdom of the Son of his love“ (that’s what happens at the new birth), then we began to experience grace for the first time.
Hier meine deutsche Rohübersetzung (meine Frau würde das natürlich um Längen besser machen, aber immer noch besser als eine Google-Übersetzung):

John Ortberg: An welcher Stelle hat die Gemeinde Jesu etwas falsch verstanden, von dem du denkst, dass Gott diese Generation von Gemeindeleitern aufruft, es zu korrigieren?

Dallas Willard: Das Problem liegt in der Botschaft der Kirche. Was ist die zentrale Botschaft?
Die Unfähigkeit der Gemeinde, die zentrale Botschaft Jesu zu verstehen, untergräbt alle Vorhaben der Gemeinde. Denn solange wir nicht verstehen, dass Jesus uns einlädt  durch Glauben an ihn (mit anderen Worten: dadurch, dass wir unser Vertrauen in ihn setzen), wirklich im Königreich Gottes hier und jetzt zu leben, wird es keine Basis für Jüngerschaft und Veränderung geben.

Ortberg: Als ich in der Gemeinde aufwuchs, war die zentrale Botschaft klar: Es war das Evangelium. Und für uns war das Evangelium die Ankündigung der Minimalanforderung um in den Himmel zu kommen, wenn man stirbt.

Willard: Ja, so ähnlich wie das Bestehen des theretischen Teils einer Führerscheinprüfung.

Ortberg: Also wenn das Evangelium nicht primär „So kommst du in den Himmel, wenn du stirbst“ ist, was ist dann Jesu Evangelium?

Willard: Es ist wie man in den Himmel kommt bevor man stirbt.

Das ist auch der Grund, warum das NT uns zum Beispiel immer wieder so behandelt, als wären wir schon gestorben.
Weil du diesen Wechseln von einem Leben, das du für dich selbst zu einem Leben, das Gott selbst lebt in seinem Reich, schon vollzogen hast.
Du wirst ein Teil davon.
Jeder neutestamentliche Lehrer wird auf die Frage, was Jesus predigte, dir wohl sagen: Das Königreich Gottes.
Das ist nicht ganz richtig, denn er predigte die Verfügbarkeit des Reiches Gottes für jeden, wo auch immer und wer auch immer er/sie ist.
Er kündigt das Reich an und macht es durch seine Gegenwart verfügbar. Und sobald du diesen Gedanken verstehst und die Evangelien liest siehst du: „Hey, genau das passiert da.“

Ortberg: Mach es konkreter für uns. Die Sprache eines Königreiches ist Jesu Sprache, aber wir leben nicht in einem Leben mit Königen.
Ich weiß, dass wenn du sagst „Du kannst in den Himmel kommen bevor du stirbst“, dann willst du nicht wortgewandt sein, sondern das ist etwas sehr Konkretes für dich. Hilf uns zu verstehen: Was ist das für eine Wirklichkeit?

Willard: Es ist wichtig zu verstehen, dass das Königreich Gottes Gott in Aktion ist.
Und das stellt sich heraus als exakt dasselbe wie Gnade.
Daher wird Gnade ein Teil deines Lebens und man erfährt es mit uns durch Glauben. Wir müssen lernen, wie wir das tun können.
Denn normalerweise haben wir in unserem Leben das Sagen und wir müssen lernen, uns davon zu lösen. Und ein Leben zu leben, in dem Gott das Sagen hat. Und das können wir.

Ortberg: Ich bin mit der Idee aufgewachsen, dass Gnade ein Synonym für die Vergebung der Sünden ist. Und daher waren die einzigen Leute, die Gnade braucht, die Sünder, denen noch nicht vergeben wurde.

Willard: Ich weiß, dass das wahr ist und ich habe führende Pastoren in diesem Land sagen hören, dass die einzige Rolle der Gnade Schuld und Vergebung ist.
Damit deutet man dieses Wort absolut falsch, das korrigiert werden würde, wenn man nur ein induktives Bibelstudium zum Thema Gnade machen würde.
Man würde sofort finden, dass Gnade für Leben ist, nicht für die Vergebung.
Gnade ermöglicht uns, so zu leben, dass Gott Teil unseres Lebens ist und hilft uns, die Art von Leben zu leben, das er für uns möchte.

Der Sünder ist nicht derjenige, der viel Gnade verbraucht. Der Heilige braucht mehr Gnade. Der Heilige verbrennt Gnade wie eine 747 beim Starten, denn alles was wir tun ist eine Manifestion von Gnade.
Und die Gnade geht uns nie aus, es gibt massig von ihr. Deshalb können wir sie nutzen. Aber wir müssen, wie das geht.
Und zu allererst bedeutet das, dass wir nicht länger auf unsere eigenen Bemühungen vertrauen, unser Leben zu gestalten. Das ist unser Königreich. Unglücklicherweise entpuppt sich dieses als ein Teil eines dunkleren Reiches.

Wenn Kolosser 1 [Vers 13] sagt: „er hat uns gerettet aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (das ist, was bei der Neugeburt passiert), dann haben wir Gnade das erste Mal erlebt.

Soweit das Interview.

Da das Interview schon allein genügend Stoff zum Nachdenken gibt, möchte ich für heute nur ein paar Gedanken herausnehmen, über die es lohnt, nachzudenken.

  • Die Verkürzung des Evangeliums auf die Minimalanforderung, um in den Himmel zu kommen.
    Wenn das Evangelium tatsächlich darauf reduziert wird (und das wird es weit verbreitet), dann ist es etwas, das nur für Nichtchristen interessant ist.
  • Die Verschiebung des Evangeliums auf das Jenseitige (diesen Punkt hatten wir bereits bei EE  in der einseitigen Interpretation von ewigem Leben)
  • Das Evangelium Jesu ist das Evangelium des Reiches Gottes: Die Ankündigung, dass dieses Reich hier und jetzt durch Jesus verfügbar ist.
  • Das Evangelium des Reiches Gottes ist eng verknüpft mit Gnade. Und Gnade ist weitaus mehr als Gnade, die Sünde(r)n vergibt.

Die ersten beiden negativen Punkte haben wir in den letzten Punkten bereits genügend betrachtet.

Daher werden wir uns in den nächsten Posts mit folgenden Fragen dem Evangelium nähern:

  • Was war das Evangelium, das Jesus verkündet hat?
  • Konnte Jesus vor seinem Tod überhaupt schon Evangelium predigen?
  • Wie steht dieses im Zusammenhang zu dem Evangelium, das die Apostel nach Jesu Tod und Auferstehung gepredigt haben?
  • Was ist mit dem Reich Gottes gemeint? Wie wird aus einem theologischen Begriff gelebte und erlebte Wirklichkeit?
  • Was hat Gnade mit dem Evangelium zu tun? (Ich verrate schon jetzt: Eine Menge! :-) )