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Bei Philipp Yancey las ich: „Ich gehe zur Kirche als Ausdruck meiner Bedürftigkeit. Ich brauche Gott und Gottes Familie.“ Er schrieb weiter, dass er aus demselben Grund zur Kirche ginge, aus dem Alkoholiker zu ihren 12-Schritte Gruppen gingen. (Philipp Yancey, Spuren der Gnade)
Letztlich bringt es das gut auf den Punkt: Um für Gott offen zu sein, müssen wir uns bewusst sein (oder werden), dass wir bedürftig sind, dass wir irgendwo in unserem Leben nicht mehr allein klar kommen, dass uns etwas fehlt, dass wir uns nach mehr sehnen.
Ich hatte gefühlt zwei Bekehrungen: Eine, als Gott mich in einem Karfreitagsgottesdienst recht überraschend so ansprach, dass ich während der Predigt Rotz und Wasser geheult habe. Und eine andere etwa vier Jahre später als ich merkte, wie leer und sinnlos mein Leben war. Da fasste ich den Entschluss, nicht mehr für mich selbst zu leben, sondern für Gott. Dieser Entschluss musste immer und immer wieder erneuert werden (oder ich musste mich an diese Entscheidung erinnern), aber er stand nie wirklich zur Debatte. Auch in den Momenten, in denen mir danach war, alles hinzuwerfen, war mir klar: „Zu wem soll ich denn gehen? Nur bei dir finde ich Worte ewigen Lebens.“
Wer einmal vom lebendigen Wasser getrunken hat, will nicht mehr zu den Ersatzquellen, die Menschen sich in diesem Laben graben.
Aber diese Erkenntnis, dass man nicht zufrieden ist, dass einem etwas fehlt, dass man Hilfe braucht, dass man sich nach etwas sehnt, das man nirgendwo anders bekommt, die braucht es, um für Gott offen zu sein.
Und wenn einem materiell nichts fehlt und man permanent von allen möglichen Dingen abgelenkt wird, die einem den nächsten Kick geben sollen, dann befasst man sich nicht so schnell mit dem, was nicht sofort ersichtlich ist.
Und oft sind Menschen in Deutschland schon mit Familie, Gesundheit, dem eigenen Haus mit Garten (oder dem Schrebergarten), ein bisschen Sport, Bundesliga und Champions League auf Sky, Playstation & Co, Shopping, Kino, Party, gutem Essen … glücklich und zufrieden.
Warum also noch Gott?

Die Schweizer sind einfach zu satt!

Ein lieber Freund aus der Schweiz, der inzwischen viel Abgefahrenes in Bezug auf Bewegungen erlebt hat, sagte mir mal: „Die Schweizer sind einfach zu satt!“
Er bezog das nicht nur auf die Nichtchristen, sondern auch auf die Christen, aber das ist ein Punkt für Hürde Nummer 5. Und weil die Schweizer zu satt waren (und wohl auch noch sind) investiert er sich seit Jahren in die Gegend um die Seidenstraße. Wie gesagt, mit viel geistlichem Segen und viel Frucht. Nachzulesen unter anderem in dem Buch:

Ying Kai: China, die Städte, Reichtum und die Folgen

Ying Kai, der vielen von T4T bekannt sein müsste und der nun wirklich viel Frucht erlebt hat, erzählte mir einmal, dass er dieselbe Tendenz inzwischen auch in China wahrnimmt. Je mehr Menschen in die großen Städte ziehen, dort viel arbeiten, mehr verdienen und Wohlstand folgt, desto weniger sind auch dort die Menschen offen für Gott. Auch in China gibt es (zumindest meines Wissens) noch keine Bewegung in großen Städten. Also kein reines westliches Problem.

Suche nach Kamelen in Hamburg

In Hamburg kursierte während des G20-Gipfels das Gerücht, dass die Delegation um den König aus Saudi-Arabien Kamele mitbringen will. Der Grund solle die Versorgung mit frischer Kamelmilch gewesen sein. Die Geschichte entpuppte sich zwar als Gerücht, aber die Schlagzeile fand ich dennoch treffend.
Sehr oft nehme ich unsere missionarischen Bemühungen so wahr, dass wir geistlich offene Kamele suchen und dann versuchen, sie irgendwie durch Nadelöhre zu bringen. Wie meine ich das?
Wenn ich mir sowohl die klassischen Freikirchen als auch die neueren Gründungen (ICFs, Hillsongs, Stadtname-Projekte, Citychurches) anschaue, dann zielen meist alle auf ein klar abgegrenztes Zielpublikum: Gehobener Mittelstand, Studenten oder die „Young Urban Professionals“. Alles Leute, denen es materiell sehr gut geht.
Aber auch das ist meist verständlich: Die Leute in diesen Gemeinden kommen aus demselben Milieu, haben gute Jobs, leben den Traum von Familie, Eigenheim und Rauhaardackel (okay, vielleicht ohne letzteren) und wünschen sich, dass Menschen wie sie eben auch Jesus finden.
Und natürlich bringt diese Zielgruppe auch viel eher das Potenzial mit sich, die teuren Mieten oder Ratenzahlungen für die Veranstaltungsräume und die Gehälter der Pastoren zu bezahlen.
Aber ob wir mit diesen Werten wirklich Bewegungen sehen werden, bezweifle ich eben.
Mir ist aber sehr bewusst, dass ich mit meinen sechs Jahren Theologiestudium, unserem Wunderhaus in einem Randstadtteil Hamburgs selbst in die oben genannte Zielgruppe falle.
Letztlich suchen wir Kamele. Und ja, für Gott sind alle Dinge möglich, aber wie sagte Michael Frost vor Jahren mal bei einer Konferenz:
„Wenn ich mir aussuchen dürfte, zu wem ich gehe: Zu den Reichen oder zu den Armen, dann wüsste ich, zu wem ich gehen würde. Zu den Armen, denn die sind geistlich offener.“
Damit sind wir auch schon bei einem möglichen Lichtblick:
Es gibt ganz sicher in jeder Großstadt Unmengen von Subkulturen, Randgruppen, sozial Benachteiligten, Hartz IV Empfängern, denen es nicht gut geht, die sich ihrer schalen Ersatzquellen vielleicht sogar bewusst sind und sich nach lebendigem frischen Wasser sehnen, die nur keine Ahnung haben, wo man so etwas finden kann.
Das würde uns allerdings einiges kosten.
Ein Missionar, der in einer sehr (!) großen europäischen Stadt unter anderem unter Roma arbeitet, schrieb:
„Diese Arbeit kann sehr unbequem und herausfordernd sein. Da ist viel Durcheinander, sowohl geistlich als auch menschlich, körperlich. Viele Christen hier wollen sich nicht auf diese unbehagliche Verdorbenheit einlassen. Selbst viele Missionare, die hierher gesandt sind, um ‚diese meine Geringsten‘ (Matt 25,40) zu suchen und zu retten, tun nichts. Scheint zu sehr außerhalb ihrer Komfortzone zu sein.“
Ich habe in der vergangenen Zeit viel von und über Mutter Teresa gelesen.
Eine Geschichte, die mir in diesem Zusammenhang besonders hängen geblieben ist:
Ein Reporter beobachtete Mutter Teresa, wie sie die Geschwüre eines Kranken versorgte und meinte: „Das würde ich ja für eine Million Dollar nicht machen.“ Worauf Mutter Teresa geantwortet haben soll: „Für eine Million Dollar würde ich das auch nicht machen, aber ich mache das für Jesus.“
Wie viele Freiwillige finden wir in unseren Reihen für die nächste Worship-Band oder den nächsten Worship-Gottesdienst? Und wie viele finden wir, um zu den Armen um uns herum zu gehen? Aber ich greife auf Hürde 5 vor. Ihr merkt schon, die Punkte sind oft stark verknüpft.
Gedanken, Fragen, Ideen immer gern in den Kommentaren.
Und wenn euch dieser Post angesprochen hat, teilt ihn gerne mit Freunden. Danke!
Apropos Mutter Teresa: Ich poste gerade täglich in der Facebook Gruppe Memes mit Sprüchen, die mich inspiriert haben.