Warum die Gemeinde nicht die Hoffnung der Welt ist
Ich hab es selbst als Pastor gelebt: Wir leben so stark in Gemeinde und verknüpfen dabei unsere missionarischen Aktivitäten und unseren missionarischen Lebensstil so eng mit Gemeinde, dass wir kaum bemerken, wie wir zwar Menschen für Jesus gewinnen wollen, sie letztlich aber für Jesus in unserem Gemeindesystem gewinnen wollen. Für mich war das mal eins: Meine Leben mit Jesus und mein Leben in der Gemeinde. Mittlerweile denke ich, dass wir viel zu sehr den Wert auf Gemeinde legen und viel zu wenig über Jesus reden.
Ich habe noch das oft gehörte Zitat von Bill Hybels im Ohr „Die Ortsgemeinde ist die Hoffnung der Welt“ (the local church is the hope of world). Damals habe ich das mit vollem Herzen bejaht, mittlerweile halte ich den Satz für falsch. Die Ortsgemeinde ist nicht die Hoffnung der Welt, Jesus ist die Hoffnung der Welt.
Je länger ich aus dem klassischen Gemeindesystem raus bin, desto weniger rede ich von Gemeinde. Ich rede viel mehr von Jesus. Was er für mich ist, wie ich mit ihm lebe, was ich ihm sage, was er mir sagt. Und wenn ich mit Freunden über diesen Jesus rede, möchte ich, dass sie diesen Jesus kennenlernen. Dass eine Gruppe von Jüngern, die gemeinsam unterwegs sind und Gott lieben, einander lieben und andere Menschen zu Jüngern machen, dann auch Gemeinde sind (siehe das Dreiecksvideo), ist zweitrangig. Wichtig ist Jesus, wie cool er ist, wie gut er ist. Er ist die Hoffnung der Welt.
Hallo David,
Ich habe gerade dein Interview bei Bibel.tv gesehen. Keine Ahnung, ob das aktuell war oder schon vor einiger Zeit aufgenommen wurde.
Ich war längere Zeit Teil einer organischen Gemeinde, von der ( der Ortsgemeinde) ich mich aber vor ca. 5 Jahren aus überzeugungstechnischen Gründen distanziert habe, habe aber immer noch losen Kontakt. So weit kurz zu meinem Backround. Ich wohne übrigens auch in Hamburg (seit nunmehr 12 Jahren).
Ich habe hier eine Frage zum Thema „Gemeinde“:
Was ich gerade die letzten Monate und Jahre gelernt habe, dass Menschen unterschiedlich sind, d. h. wie sie mit Krisen umgehen, wie sie motiviert werden etc. und auch unterschiedliche Bedürfnisse haben. Und für viele ist eine Gemeindestruktur wichtig (in welcher Form auch immer), weil es ihnen eben nicht leicht fällt Menschen kennenzulernen. Nach dem Eindruck deines Interviews ist das wohl keine primäre Schwäche von dir.
Also, wie hältst du es allgemein und persönlich mit Gemeinde bzw. Gemeinschaft „zur Auferbauung der Heiligen“?
Ich hatte Apg 2,42 auch lange für eine Illusion gehalten, bis ich das denn persönlich erlebt habe.
Viele Grüße, Christian
Hallo Christian,
schön, dich hier zu lesen.
Kannst du deine Frage etwas konkretisieren? Ich habe noch nicht genau verstanden, was deine Frage ist.
LG aus Bergedorf!
David
Hallo David,
Wenn ich dich richtig verstanden habe ist einer deiner Hauptthesen, dass gekaufte Gebäude und bezahlte Pastoren das Gemeindewachstum beenden.
Aber braucht es denn nicht trotzdem eine Gemeinde/Gemeinschaft, die sich regelmäßig trifft und gemeinsam auferbaut und wo jüngere Christen von den älteren lernen können? Grundsätzlich lässt sich dies wohl auch in Hauskreisen erleben, aber ab einer gewissen Größe lassen sich viel besser die einzelnen Bedürfnisse stillen.
Natürlich bleibt Jesus die Antwort und nicht die Gemeinde. Insofern möchte ich deiner Grundaussage hier schon zustimmen.
Grüße, Christian
Würde zwar nicht sagen, dass das meine Hauptthesen sind, aber ich verstehe schon, was du meinst.
Das Problem ist, dass die wenigsten Menschen wirklich erlebt haben, wie „Family on mission“ (Familie gemeinsam auf Mission) aussieht oder dass kaum ein Christ in Deutschland eine Ahnung hat, wie Jüngerschaft (fernab von irgendwelchen Jüngerschaftsprogrammen oder Jüngerschaftsschulen) aussieht, sodass auch niemand eine Ahnung hat, wie er/sie jemanden zu einem Jünger machen kann.
Natürlich ist Gemeinschaft wichtig, aber die Gemeinschaft hat keinen Selbstzweck, sondern geschieht während wir gemeinsam in der Mission Gottes unterwegs sind. Da geht’s lange nicht um einen Fokus wie „Bedürfnisse stillen“ oder „ich brauche geistliche Nahrung“, das ist alles viel zu sehr Ich-Zentriert und kommt zu stark vom klassischen Gemeindesytemdenken.
Von daher teile ich auch nicht, dass größere Gemeinden viel besser irgendwelche Bedürfnisse stillen können. Um es mal provokativ und vielleicht auch angreifbar zu sagen: Mit das einzige Bedürfnis, das klassische Gemeinden gut stillen, ist das Bedürfnis nach Passivität.
Wie sagte Dallas Willard glaube ich einmal: „church has become the vendor of religious goods and services“. Na, das möchte ich nicht sein.
Macht Sinn?
LG!
David
Den Unterschied zwischen der IC – Gemeinde und der Hausgemeinde, ob sie nun organische oder
einfache oder Jesus-Haus-Gemeinde oder wie auch immer genannt wird, merkt man erst wenn
man wirklich diese Hausgemeinde Gemeinschaft über längere Zeit erlebt hat.
In der Hausgemeinde ist es einfach persönlicher nicht so oberflächlich. Oberflächlich ist natürlich
ein weiter Begriff und trifft es auch nicht ganz.
Bei mir hat sich das so dargestellt. In der normalen IC – Gemeinde sah ich immer den Menschen
auf den Hinterkopf, ist ja einfach von der Sitzordnung her schon so vorgegeben. Nach dem Godi
konnte/kann man noch Kaffee trinken und Kuchen essen. Dieses findet immer wieder Sonntags
statt. Die Woche über gibt es auch noch den Hauskreis. Der Hauskreis ist eigentlich vom Ablauf her
eine Kopie vom großen Godi am Sonntag.
Wo und wann aber wird einmal eine Versammlung nach 1. Kor. 14.26; abgehalten ?
Das ist genau die Möglichkeit, wo ein Gotteskind sich geistlich einbringen kann und wodurch es
auch wächst. Es ist ja ein Unterschied ob jemand nur immer etwas hört oder ob er sich auch damit
aus einander setzt und selbst auch etwas dazu sagt. Solche Gemeinden, wo das mit berücksichtigt wird, ist natürlich prima. Meinst sind solche Gemeinden aber auch in einem Verband und
ökumenisch angeschlossen.
Das Thema ist nicht ganz einfach. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen: Ich habe Gemeinden von 8 bis 300 in ihren Facetten und ihren unterschiedlichen Ausprägungen gesehen.
Ja, Roland, ich gebe dir 100%tig recht, dass sich in einer Hausgemeinde jeder viel mehr einbringen kann/muss. Aber das ist nicht jedermanns Sache. Und das muss auch nicht immer funktionieren. Menschen sind sehr verschieden! Und gerade für jemanden, der seine ersten Schritte als Christ tut, wirkt in der Regel eine große Gemeinschaft sehr insperierend. Und ich rede nicht von tausenden, sondern von vielleicht 40 bis 200.
Und ich halte es für sehr wichtig, sich regelmäßig mit Anderen über Überzeugungen und Erkenntnisse auszutauschen. Niemand ist unfehlbar.
Nun noch einmal zurück zu meiner ursprünglichen Frage:
Wie hältst du, David, es persönlich mit Gottesdiensten? Und was ist deine Empfehlung für jemanden, der nach einer größeren Gemeinschaft sucht? Und bzw. oder ist die Hausgemeinde für dich die einzige Antwort? (Ich weiß, das ist provozierend, aber da du hier Thesen aufstellst, sollten Nachfragen erlaubt sein, ohne dass ich behaupte, im Besitz der universellen Wahrheit zu sein.)
Viele Grüße, Christian
Hallo Christian,
Wenn jemand nach einer größeren Gruppe, also einem Gottesdienst sucht, soll er, hab ich absolut kein Problem damit. Meine Anfrage ist lediglich, ob solch ein Setting jemanden zu einem Jünger macht. Und da ich an Movements interessiert bin, also an Jüngermachbewegungen, ist das mein Fokus. Denn empirisch zeigt die Praxis, dass Bewegungen dann stoppen, wenn ein Pastor bezahlt wird oder ein Gebäude gekauft wird. Das ist keine Theorie, das ist abgeleitet aus Erfahrungen aus der Praxis. Beides lässt sich eben nur sehr schlecht reproduzieren. Und das große System fördert eben eher eine Konsumhaltung als einen Fokus auf Jünger sein & machen.
Aber wenn irgendwelche Christen einen großen Gottesdienst wollen, dann soll das nicht meine Sorge sein. Im ursprünglichen Post ging es ja auch eigentlich darum, dass mir in vielen Gemeinden zu sehr die „Gemeinde“ im Fokus steht und nicht mehr Jesus. Leute sind begeistert von ihrer Gemeinde, wie cool, wie hip sie ist, wie toll, nett und stylisch die Leute da sind. Und ich höre da oft viel zu wenig Begeisterung für Jesus. Darum ging es mir in diesem Post eigentlich.
Hi David,
ich finde deine Argumentation in Bezug auf die Ortsgemeinde nicht ausgereift vielleicht sogar etwas schwach. Jeder Argumentation, die auf „entweder-oder“ basiert, ist aus meiner Sicht nicht vollständig, eben nur eine halbe Wahrheit.
Obwohl ich das Konzept der organischen Gemeinde sehr inspirierend für mich finde und bejahe, kann es nur ein Aspekt der GEMEINDE als solches sein. Ähnlich hatten wir es mit Emerging Church, usw.
Du willst dich von der Gemeinde abgenabelt haben, sprichst aber bei BibelTV darüber, dass deine Gemeinde dich/euch ausgesandt hat. Was heißt das? Wie finanzierst du/ihr dich/euch, um diese Gemeindegründungen zu starten – interessant ist auch, dass du dich von Gemeinde „verabschiedest“, von einer Gemeinde ausgesandt bist und wiederum Gemeinden gründest – oder geschieht es nebenberuflich?
Ich bin echt daran interessiert mehr über deinen Weg zu erfahren, wie sich so etwas verwirklichen lässt. Vielleicht ergibt sich ein Gespräch hieraus.
Beste Grüße
Andre
Hallo Andre,
ich glaube, du hast mich falsch verstanden. In dem verlinkten Video mit dem Dreieck und dem Viereck erkläre ich erstmal nur den Unterschied beider Systeme. Ein System (oder eine Form) allein bringt nicht die Lösung. Ich kenne nach innen gerichtete Hausgemeinden, die ebenso wenig missionarisch sind wie die meisten quadratischen Gemeinden.
In dem Post hier ging es mir nur darum, dass ich in vielen Gemeinden einen starken Fokus auf „Gemeinde“ sehe. Das ist heute (fast vier Jahre nach diesem ursprünglichen Post) auch nicht anders. Wenn ich auf Webseiten neuer Gemeindegründungen schaue, dann lese ich dort viele Statements bzw. Begeisterung über die coole Art der Kirche (oder Gemeinde): Wir wollen Gemeinde am Puls der Zeit sein, wir träumen von einer Kirche, die leidenschaftlich ist, in der sich jeder entfalten kann, die wächst.
Und ich lese viel mehr von der Begeisterung darüber, was für eine coole Kirche sie doch sind, als dass ich von der Begeisterung über Jesus lese.
Nicht, dass ich gegen Gemeinde bin, ich bin nur gegen diesen Gemeindefokus, der sich im Zitat „Die Gemeinde ist die Hoffnung der Welt“ widerspiegelt. Denn Jesus ist und bleibt die Hoffnung der Welt, nicht die Gemeinde.
Zu deinen Fragen zum Bibel TV Interview: Die Zeit, von der ich dort rede, liegt gut 10 Jahre zurück. Das war kurz nach dem ich aus dem quadratischen System ausgetreten bin. Zur aktuellen Finanzierung liest du mehr unter Support oder auf der Webseite meiner Missionsgesellschaft. Hoffe, das hilft dir etwas weiter.
LG!
David