Da ich gerade eine Email eines organisch Interessierten bekam und mir die Frage bereits öfters begegnet ist, versuche ich mich an einer kurzen Antwort.
Hier die Problematik: „Im NT haben sich die Christen zwar auch in Häusern, also Hauskreisen, getroffen, aber zentral in einem großen wöchentlichen Gottesdienst – damit würde die … (Freikirche XY) genau der Bibel entsprechen.“
Aus meiner Sicht ist schon die biblische Analyse falsch und geschieht klar durch die Gemeindesystem-Brille. Aber so habe ich früher auch gedacht und war mir meines Denkfehlers auch nicht bewusst.
Die Argumentation geht ja meist von Apg 2, 46 aus:
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen.
Und daraus wird in Kurzform geschlossen: „Häuser=Hauskreis, Tempel=Gottesdienst. Machen wir auch, also alles Bestens.“
Ich antworte dann meist: Moment mal, noch gar nicht lange davor, da haben die Juden alles daran gesetzt, Jesus umzubringen und damit aus dem Weg zu schaffen, und plötzlich sollen die Christen problemlos im jüdischen Tempel christliche Gottesdienste abhalten dürfen? Dabei spielt es aus meiner Sicht keine Rolle, ob das im Vorhof oder sonst wo stattgefunden haben soll. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie das so unproblematisch abgelaufen sein soll. Meines Erachtens lesen wir da viel zu viel in den Text hinein. Mir scheint es da wahrscheinlicher, dass da Christen am normalen Tempelleben teilgenommen haben und mit einem nun veränderten Verständnis denselben Gott angebetet haben. Warum auch nicht, es ist ja immer noch Gott, um den es geht? Und mit anderen Augen über das Alte Testament nachzusinnen kann auch nicht schaden. Hat dem Kämmerer auch geholfen.
Zum anderen glaube ich, dass wir das, was in den Häuser passierte (und auch nur da passieren konnte), völlig unterbewerten. Wir lesen solche Textstellen meist nur durch die Brille unserer eigenen Hauskreiserfahrung. Abgesehen davon lesen wir z.B. im letzten Kapitel des Römerbriefes zwar von vielen Gemeinden in unterschiedlichen Häusern, nicht aber davon, dass die Gemeinden alle zu einem gemeinsamen Treffen zusammen kommen.
Grundsätzlich denke ich aber, dass die Diskussion zur Form der Gemeinde am Ziel vorbeigeht. Viel wichtiger ist mir, dass wir mit dem Richtigen anfangen, alles andere wird dann folgen. Dazu poste ich in Kürze ein neues Video.
Wer stärker die gängigen christlichen Praktiken hinterfragen will, dem sei das Buch Heidnisches Christentum? von Frank Viola ans Herz gelegt. Es deckt schonungslos, aber gut recherchiert, unsere falschen biblischen Annahmen auf.
Häusertreff versus Gemeindegottesdienst – Versammlung.
Ich denke die betreffenden Stellen in der Apg sind interessant, aber hinreichend schwammig um sowohl das eine als auch das andere darin zu erkennen.
Letztenendes kommt es nicht primär auf die Form des Treffens an, sondern auf die Frucht, die dabei herauskommt.
In einer mobilen Business-Welt wie der heutigen stellt sich mir eher die Frage, ob Gemeinden nicht auch teilweise wie die im Römerbrief genannte „Versammlung in den Kaisers Haus“ ist – also offensichtlich eine Gemeindeversammlung an einem Arbeitsplatz. Da man ohnehin selten zu Hause ist und manchmal viel mehr auf der Arbeit.
Das setzt voraus, dass denominationelle Grenzen keine Rolle spielen und dass nicht nur professionelle Theologen das Sagen haben (die – mit Verlaub – von der Realität der Arbeitswelt auch recht wenig verstehen).
m.E. definiert sich die Gemeinde nicht durch eine spezifische Form – ihre Form passt sich den Erfordernissen an. Entscheidend ist die Frucht – das Ergebnis.
Das Problem ist auch unser Schwarz-Weiß-Denken. Entweder sehen Gemeinden so und so aus, oder so und so.
Ich las einmal, dass der Heilige Geist die kreativste Person des Universums ist. Wie können wir dann annehmen, es gäbe nur EINE richtige Form, einen richtigen Ort, eine richtige Struktur, …?
Wie vielfältig sähe Gemeinde aus, wenn Menschen dort wo sie leben, ihrer Kultur entsprechend Gemeinde GOTTES leben?
Ich würde noch weiter gehen und sagen: Entscheidend für die Frucht ist die DNA, nicht die äußere Form.