In der Reihe Bewertung der „Evangeliums-Erklärungs-Tools“ ist nach den ersten beiden Punkten
nun Nr. 3 dran:
3. Die vier geistlichen Gesetze
Die vier geistlichen Gesetze stammen von Bill Bright, dem Gründer von Campus für Christus.
Die vier Gesetze lauten:
- Gott liebt dich und bietet einen wundervollen Plan für dein Leben. (Joh 3,16, Joh 10,10)
- Der Mensch ist sündig und von Gott getrennt. Deshalb kann er die Liebe und den Plan Gottes für sein Leben nicht erkennen und erfahren.
- Jesus Christus ist Gottes einziger Ausweg des Menschen aus der Sünde. Durch ihn können Sie die Liebe Gottes und seinen Plan für Ihr Leben kennenlernen und erfahren. (Röm 5,8, 1 Kor 15,3-6, Joh 14,6)
- Wir müssen Jesus Christus persönlich als Erlöser und Herrn aufnehmen, dann können wir die Liebe Gottes und seinen Plan für unser Leben erfahren. (Joh 1,12, Eph 2,8-9, Joh 3,1-8, Offb 3,20) Quelle: Wikipedia, ausführlicher auch hier.
Ich möchte zwei Dinge hinterfragen: Einmal die theologische Spannung, die sich aus Punkt 1 und 2 ergibt. Und zum anderen die Art und Weise, wie die vier geistlichen Gesetze oft präsentiert werden, wobei die theologische Spannung bzw. Ungenauigkeit meines Erachtens der Grund ist für die Art und Weise, wie die Punkte oft präsentiert werden, aber der Reihe nach:
Von welcher Spannung rede ich?
Punkt 1 betont, dass Gott uns liebt. Und wer hier mal auf dieser wirklich gut gemachten neuen Webseite zu den vier geistlichen Gesetzen nachschaut, sieht eine wirklich gute Präsentation des ersten Punktes. Und ich meine: Wirklich gut. Da habe ich gar nichts auszusetzen, schauen wir ihn uns an, ich zitiere mal aus dem Anfang des Videos:
„Gott liebt dich unglaublich fest. Er hat dich schon immer geliebt und er wird dich immer lieben. Seine Liebe ist grenzenlos und du kannst sie dir mit nichts verdienen, sie ist einfach da. Gott liebt dich genauso wie du bist, mit allen deinen Fehlern…“
Boppi von Campus für Christus Schweiz erzählt davon, wie bedingungslos seine Liebe zu seinem eigenen Kind ist. Großartig, kann ich als Vater von zwei Kindern absolut unterschreiben. Meine Söhne müssen gar nichts dafür tun, dass ich sie liebe.
Fazit in Bezug auf das evangelistische Gespräch: Gott liebt den Sünder bedingungslos.
Hmm, wäre da dann nicht Punkt 2:
Boppi zitiert wörtlich aus Jesaja 59,2 (nach Gute Nachricht Bibel):
Wie eine Mauer steht eure Schuld zwischen euch und eurem Gott. Wegen eurer Vergehen hat er sich von euch abgewandt und hört euch nicht.
Also ich kann das drehen und wenden, wie ich will: Nach bedingungsloser Liebe klingt das nicht. Gott hat sich wegen der Vergehen des Volkes Israels abgewandt und hört sie noch nicht einmal mehr.
Was soll dann mein Gegenüber denken? Doch so etwas wie: Weowow, was soll Gott dann erst von mir denken mit allen meinen Sünden?
Jetzt muss ich sagen, dass Boppi in dem Video einen guten Job macht, die Folge von Sünde in unserem Leben zu erklären, aber ich komme nicht drum herum: Es bleibt diese Spannung, dass der erste Punkt sagt:
„Du bist bedingungslos geliebt“
und der zweite Punkt:
„Äh, so bedingungslos ist das eigentlich gar nicht, deine Sünde trennt dich von Gott, eigentlich kann Gott so mit dir gar keine Gemeinschaft haben. Also eigentlich hast du erstmal ein fettes Problem.“
Jetzt sagen einige dann den oft gehörten Satz: „Gott liebt den Sünder, aber hasst die Sünde“.
Aber da bin ich sogar der Meinung, dass Mark Driscoll in seinem schon Anfang des Jahres erwähnten Video das Ganze konsequenter zusammenfasst, wenn man schon solche alttestamentlichen Verse (also Verse aus dem alten Bund) heranzieht. Ich zitiere aus meinem alten Artikel:
Mark sagt:
“Christen sagen ‘Gott hasst die Sünde, nicht den Sünder.’ – Das ist Ghandi, nicht Jesus!”
“Some of you, God Hates you – some of you, God is sick of you, God is frustrated with you, God is wearied by you, God has suffered long enough with you.”
frei übersetzt: “Manche von euch, Gott hasst euch – manche von euch, Gott hat euch satt, Gott ist frustriert mit euch, ist euch müde, Gott hat euch lang genug ertragen.”
Gott hasst nicht nur die Sünde, er hasst auch den Sünder.
Er zitiert Psalm 5, Vers 5 (oder deutsch Vers 6): You hate all evildoers (ESV), deutsch: du hassest alle, die Götzendienst üben. (Elberfelder)
Und ein letztes Zitat von Mark Driscoll:
“You and I are, we are sinners are and are by nature objects of wrath. That’s a quote from the Bible.”
frei übersetzt: “Du und ich, wir sind Sünder und sind nach unserem Wesen Objekte Gottes Zorns. Das ist ein Zitat aus der Bibel.”
Hier ist ein guter Punkt, die Kurve zu kriegen, denn Mark sagt, dass er hier die Bibel zitiert, aber er zitiert sie falsch:
Er zitiert aus Epheser 2,3 und jetzt kommt der entscheidende Unterschied:
Zunächst mal englisch nach NIV: “Like the rest, we were by nature objects of wrath.”
Deutsch nach NGÜ, weil es die so schön ähnlich ausdrückt: “So, wie wir unserem Wesen nach waren, hatten wir – genau wie alle anderen – nichts verdient als Gottes Zorn.”
Were – waren – hatten – Vergangenheit! Past Tense, brother Mark!
Soweit mein alter Artikel, wer ihn noch nicht kennt, kann ich ja noch nachlesen, ich habe den Abschnitt für unsere Frage heute herauskopiert, um zu zeigen, wie ein alttestamentlicher Ansatz konsequent durchgezogen wird:
Im AT hasste Gott nicht nur die Sünde, sondern auch den Sünder, die Sünde trennte Gott so sehr von seinem Volk, dass er sie nicht einmal mehr hörte.
Nun offenbarte sich Gott in Jesus ganz neu. Jesus sagte sogar, dass die Welt den Vater gar nicht kennt (Joh 17,25), aber wenn ich hier tiefer einsteige, würde ich diesen Post überfrachten.
Für jetzt will ich mich damit begnügen, auf das Vermischen von Altem Bund-Denken und Neuem Bund-Denken zu verweisen und betonen, dass ich so, wie die vier geistlichen Gesetze formuliert sind, sie nicht als das Evangelium, nicht als gute Nachricht ansehe.
Diese theologische Ungenauigkeit prägt meines Erachtens auch das Gottesbild vieler Christen:
Sie denken, dass Gott die Sünder und ihre Sünde hier und heute so sehr verabscheut, dass die Sünder eigentlich tot umfallen müssten oder Gott sagt: „Lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte.“ (2.Mose 32,10)
Da kann im Neuen Testament in was weiß ich wie vielen Hammerversen das Gegenteil stehen (wie z.B. Joh 3, 16 oder Römer 5,8), das Gottesbild vieler Christen ist von einem Mischmaschdenken von Altem und Neuen Bund geprägt.
Und das wiederum prägt die Art und Weise, wie Christen die vier geistlichen Gesetze kommunizieren.
Sprich: Manchmal wird daher der erste Punkt fast gänzlich fallen gelassen und die vier Punkte werden zu drei Punkten, die mit einer fetten schlechten Nachricht beginnen.
Dabei hat Boppi (hier der wirklich gut gemachte Video-Podcast) die bedingungslose Liebe Gottes im ersten Punkt phänomenal gut kommuniziert, aber die theologische Ungenauigkeit im zweiten Punkt lassen die vier Punkte dann doch irgendwie zu keiner guten Nachricht werden.
Hi David,
>>Im AT hasste Gott nicht nur die Sünde, sondern auch den Sünder, die Sünde trennte Gott so sehr von seinem Volk, dass er sie nicht einmal mehr hörte.<<
Damit sagst du, dass Gott sich zwischen dem Ende des AT und dem Kommen Jesu um 180° gedreht hätte. Das passt irgendwie nicht so richtig zu den Aussagen, dass Gott unwandelbar ist. Würdest du den Satz echt so sagen? Oder verstehe ich dich falsch?
LG,
Rolf
Hallo Rolf,
da hast du aufmerksam gelesen. Hätte ich von dir auch nicht anders gedacht. :-)
Ich würde den Satz („damit sagst du…) nicht so formulieren, wie du ihn formuliert hast, aber ja, in diese Richtung denke ich mit meinem von dir zitierten Satz.
Natürlich werde ich das ausführlich erklären, aber erstmal der Reihe nach, ganz abgesehen davon, dass dass die Kommentaridee überfrachten würde. Von daher: Noch ein bisschen Geduld, stay tuned. :-)
LG!
David
Hey David,
die vier Punkte von C4C erinnern ja stark an Greg Gilbert’s (2012) kleines Buch „Was ist das Evangelium?“, was ich gerade lese. Darin gibt’s strukturell dieselben Punkte (Gott, Mensch, Jesus, Antwort), allerdings präziser gefüllt. Kennst du Gilbert’s Buch? Wenn ja, würde mich mal interessieren, was du davon hältst.
LG,
Stefan
Hi Stefan,
ja, das Buch habe ich und hab’s auch gelesen. Wie ein Haufen anderer Bücher zum Thema Evangelium.
In dem Buch fand ich Licht und Schatten: Gut beleuchtetes und schwach beleuchtetes. So fand und finde ich einige der „Gegenfolien“ im Vorwort recht stimmig. All das soll nicht heißen, dass ich das, was Gilbert als Evangelium bezeichnet, für falsch halte, ich würde nur nicht sagen, dass es das Evangelium ist.
Hilfreich?
Lies doch mal als anderen Entwurf dagegen das in meinen Augen exzellente und gerade erschienene Buch Das Evangelium in 10 Wörtern von Paul Ellis.
Und wenn wer’s beim Verlag direkt bestellt (versandkostenfrei und per Rechnung) und nicht bei Amazon, der hilft, dass solche eng kalkulierten Bücher auch in Zukunft noch herausgebracht werden.
LG!
David
Hi David,
danke für die Buchempfehlung! Fand das Buch echt wohltuend. Allerdings liegen mir ein paar Aussagen noch quer und die Vorstellung von einem dauergutgelaunten Gott, der meine Sünde völlig ignoriert finde ich daneben. Dementgegen steht ja, dass Gott im NT auch straft, wenn auch aus Liebe, um mir zu helfen nach seinem guten Willen zu leben (Hebr. 12) oder wie im Fall von Hananias und Saphira (Apg. 5). Außerdem lese ich an anderer Stelle, wenn ein Ältester sündigt, soll er vor der ganzen Gemeinde zurechtgewiesen werden (1. Tim 5,20). Das zeigt doch, dass Gott Sünde nicht ignoriert. Gott ist nicht laissez-faire-mäßig drauf.
LG
Hi Stefan,
freut mich, dank dir für’s Feedback. Ist ein bisschen schwierig, hier in Kürze darauf zu antworten, dafür machst du ein zu großes Fass auf, aber ein wichtiges! Ich werde definitiv in weiteren Posts zu eben solchen Fragen meine persönliche Einschätzung geben, daher nur kurz:
Die Schwierigkeit liegt meines Erachtens vor allem darin, dass wir eine Textstelle wie Hananias und Saphira immer mit einem Vorverständnis angehen und damit Schlüsse ziehen, die der Text so zwingend nicht sagt. Beispielsweise lesen wir sie mit einem Vorverständnis, wie wir Hiob lesen. Wenn wir Hiob anders lesen, schauen wir auch anders auf diese Stelle. Sprich: Mit einem Gottesverständnis, das stark von einem Sünde bestrafenden Gott im AT ausgeht, werden wir diese Stelle in dieses Gottesverständnis einordnen.
Für mich haben sich aber mit dem neuen Bund, in dem wir nicht durch unsere eigene (Selbst-)Gerechtigkeit vor Gott als gerecht dastehen, sondern durch die Gerechtigkeit, die wir durch Christus haben, grundlegende Parameter geändert. Wenn ich von Hebräer 1,1-3 ausgehe, bekommt Gott ein neues Gesicht (nämlich das von Jesus). Und dann betrachte ich die Dinge von hinter dem (oder durch das) Kreuz.
Ich weiß, dass das hier nicht ausreichend ist, ich wollte aber wenigstens kurz antworten. Ich arbeite an den nächsten Beiträgen, brauche aber noch ein bisschen Zeit, um zu sortieren und will nicht einfach irgendwo anfangen. Da ich aber kommenden Sonntag über DAS Evangelium predige, kann ich hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
LG!
David
jo, bin gespannt. Danke!
Ey, sir! :)
Der Vollständigkeithalber kommentiere ich das auch noch mal hier, wo es eigentlich hingehört :-)
Schöner Beitrag, David!!!
Die 4 geistlichen Gesetze haben mich auch schon immer befremdet.
Auf deine Erklärung zur „180°-Wende“ Gottes zwischen altem und neuem Bund, bin ich aber echt gespannt… :-) So eine „Wende“ ist für mich theologisch nicht denkbar. Ich würde immer bei der Aussage aus dem Johannes Evangelium bleiben: 1,18 „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.“ Sprich, so wie Jesus uns Gott zeigt, so war Gott schon immer. Und natürlich hat er daher auch nie irgendwelche Sünder gehasst (wie man dann mit solchen Aussagen des Ersten Testamentes umgeht, ist dann natürlich eine weitere Frage), sondern immer schon mehr geliebt, als sein eigenes Leben.
Von daher, ich bin sehr gespannt und freue mich auf deine Begründung. :-)
LG
der Jay
Hi Jay,
LOL, da habe ich mir ja was eingebrockt. Ne, Quatsch. Aber nur zum Klarstellen: Ich habe in meiner Antwort auf Rolfs Frage ja auch schon geschrieben, dass ich das nicht so formulieren würde, aber ja, um solche Fragen wird es gehen. Zum einen sicherlich um die Gottesbilder im AT und NT, zum anderen um das, was der neue Bund eigentlich ist bzw. bedeutet. Bei letzterem tappen m.E. die meisten Christen nämlich auch völlig im Dunkeln. Ging mir ja bis vor einiger Zeit nicht anders. Neuer Bund? Da hab ich irgendwie an die Einsetzungsworte zum Abendmahl gedacht, aber mehr auch nicht. Nicht dass ich da schon der Experte wäre, aber wie war das mit dem Einäugigen unter den Blinden? ;-)
LG
David
Ich nehme nicht allein auf diesen Artikel Bezug, sondern auch auf die vorhergehenden. Als EE-Absolvent hätte ich z.B. auch einige Fragen an das Tool, aber würde in einer „klassischen Evangeliumsbotschaft“ durchaus nicht abgeneigt sein, Elemente daraus zu verwenden und aufzugreifen.
Ich denke aber, dass es ein Missverständnis ist, wenn man denkt, das die gute Nachricht für den Normalbürger als eine solche aufgenommen wird und ein Lächeln erzeugt. Jesus ist ja nicht zu den Gerechten, sondern zu den Sündern, nicht zu Gesunden, sondern zu den Kranken gekommen – um sie zur Buße zu rufen. Ohne Frage würde hier keiner widersprechen, dass ja alle Kranke und Sünder sind.
Aber nur diejenigen, welche das auch wirklich begriffen haben und darüber zerbrochen sind, werden der Botschaft zustimmen, dass Gott sie nur verdammen kann, weil sie so verdorben sind. Das dies keine „Wellness“-Gefühle erzeugt, sollte klar sein.
Aber wie herrlich ist dann die Botschaft für solche Zerschlagenen, wenn sie erkennen, dass der Herr Jesus selbst die Stafe auf sich nimmt, damit sie den gerechten Zorn Gottes nicht mehr zu spüren bekommen. Wie sehr wird es sie erstaunen, dass Gott solch verdammungswürde Kreaturen durch die Tat Jesu so sehr liebt, dass er sein heiliges, reines Leben und seine Göttlichkeit gegen unserere üble Verdorbenheit aufwiegt.
Dass ist eine gute Nachricht für Sünder. Und das sollte auch nicht aufhören, nur weil man durch ist und weil man auch nach der Bekehrung nach wie vor auf Gottes Gnade angewiesen ist und wachsend seine Abhängigkeit zu Gott erkennt.
Man schaue auf wirklich fruchtbare Erweckungsprediger der Vergangenheit wie Spurgeon, Withefield, Edwards und Wesley. Die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft sind bis heute unbestritten, doch kaum einer scheint ihren Weg heute gehen zu wollen – weder in ihrer innerlichen Ausrüstung noch in der Art, wie sie predigten.
Hallo Matthias,
dank dir für deinen Kommentar.
Ich denke, ich kenne deinen Standpunkt, bin ich doch mit einem ähnlichen lange rumgelaufen.
Ich weiß auch, dass einige Erweckungsprediger mit evangelistischem „Erfolg“ über den Zorn Gottes gepredigt haben, auch wenn ich nicht alle der von dir genannten Prediger in diese Kiste stecken würde.
Aber grundsätzlich war der Ansatz im 18./19.Jahrhundert (Edwards, Moody, Whitefield, Torrey) sicher oft der: Male den Zorn Gottes den Hörern besonders deutlich vor Augen, umso wichtiger sehen diese ihre Not und vertrauen ihr Leben Jesus an, der sie rettet.
Ich erinnere mich sogar an einen Erweckungsprediger (hab leider vergessen, wer das war), der an mehrere evangelistische Abende abhielt, am ersten Abend allerdings nur über Schuld und Verdammnis predigte, um dann am Ende sinngemäß zu sagen: „Ihr seid schuldig und so kommt ihr in die Hölle“. Danach verließ er denn Saal. Also schlechte Nachricht pur, erst am nächsten Tag erzählte er dann die gute Nachricht. Letztlich nahm er den zweiten Punkt der vier geistlichen Gesetze, ritt wie ein Wilder darauf rum, um am folgenden Tag dann zum dritten Punkt zu kommen.
Andere sagen: Wenn Nichtchristen nur einen Blick in die Hölle werfen könnten, dann würden sie schnell zu Gott kommen.
Bei all diesen Ansätzen frage ich mich, warum Paulus dann fragt: „Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ (Römer 2,4).
Wenn es die Güte Gottes ist, warum dann die Betonung auf den Zorn Gottes, wenn es doch nicht dieser ist, der zur Buße leitet?
Grundsätzlich sollten wir m.E. vorsichtig sein, einfach Beispiele aus der Kirchengeschichte zu nehmen (wie hier Erweckungsprediger) und aus irgendeinem Ergebnis oder „Erfolg“ abzuleiten, dass das dann theologisch richtig ist.
Wenn wir das machen, landen wir mit Luthers eigener Argumentation bei der Kindertaufe (Luther verkürzt und vereinfacht: Die Kindertaufe gab es schon lange, die Kirche hat es auch weiterhin gegeben, also kann die Kindertaufe nur richtig sein).
Was will ich damit sagen? Menschen können bei einigen Punkten beim Richtigen ankommen, an anderen Punkten aber völlig daneben liegen. Auch bei mir wird das wohl so sein, das kann ich nicht ausschließen, deshalb freue ich mich über den Austausch hier. Ich werde mich um Sorgfalt bemühen, auch bei dieser sicher für viele kontroversen Diskussion.
Von daher, Matthias, lade ich dich ein, mit dabei zu bleiben. Ich komme ja erst noch zu der positiven Beschreibung des Evangeliums. Und ja, ich glaube, dass das Evangelium eine Nachricht ist, die wirklich gut ist. Eine Nachricht, die so gut ist, dass wir sie – wenn wir sie wirklich verstanden haben – unmöglich verschweigen können (vgl. Apg 4,20).
Genau das ist ja das Kranke an den vier Gesetzen (und vielen ähnlichen Ansätzen): Dass Gott uns in seiner unendlichen Liebe vor seinem eigenen unendlichen Zorn schützt. Gott will uns vernichten, rettet uns aber gnädigerweise und bedingungslos vor sich selbst, wenn wir bestimmte Dinge machen (nämlich ihm unser Leben übergeben / uns bekehren / das Geschenk annehmen / …). Das ist alles etwas unlogisch.
Dass die frohe Botschaft übrigens angeblich nicht froh machen soll, das empfinde ich schon fast ein wenig zynisch. In jedem Fall aber als schlechte Ausrede, um sich nicht mit dem eigenen Gottesbild auseinander zu setzen.
Hi Rolf,
ob krank und zynisch hier die richtigen Worte sind, stelle ich mal infrage, auch wenn ich sehe, dass diese Themen emotional „geladen“ sind.
Für unser Gottesbild können wir erstmal nichts, da sind wir einfach geprägt von denen, die uns einen solchen Gott – ob bewusst/unbewusst bzw. explizit/implizit – vermittelt haben.
Die Wahrheit wird uns frei machen, aber es ist ja nicht automatisch so, dass wir in jeder Predigt auch die Wahrheit hören.
Vermutlich sind wir beide bei dem Thema inhaltlich bei unterschiedlichen Punkten angekommen, aber gerade deshalb finde ich es ja spannend, hier im Austausch darüber zu stehen. So oder so: Lasst uns freundlich miteinander umgehen.
Wird Zeit, dass ich zur positiven Füllung des Evangeliums komme. :-) Morgen müsste es in der Reihe weitergehen.
LG!
David
Hi,
hier ist es ja wieder spannend. Toll!
Das mit den Gottesbild, Rolf, trifft für mich den Nagel auf den Kopf.
Welches GOTTESbild habe ICH denn? Wie ist denn MEINE Beziehung zu JESUS? Worauf gründet sie?
Ich habe noch eine andere „schöne“ Bekehrungsfloskel:
Die von der Medizin. Hier ging es darum, uns zu motivieren, von JESUS zu erzählen. Stell Dir vor, DU hättest die lebensrettende Medizin und gibst sie den anderen nicht weiter…
Also, 1. gibt man weiter aufgrund von schlechtem Gewissen und 2. stelle ich mir auch hier die Frage nach MEINEM Gottesbild und meiner Gottesbeziehung.
Warum sollte ich überhaupt eine GUTE Nachricht weitergeben? Was motiviert mich denn, eine GUTE Nachricht weiterzugeben?
Wenn mein Herz voll ist von JESUS, wenn meine Beziehung zu IHM so wertvoll, so intensiv ist, dann „fließt“ ER aus mir heraus! Dann kann ich nicht anders, als zu singen, als meine Geschichten mit IHM zu erzählen, zu teilen.
Seit ich begriffen habe (mit dem Herzen), dass JESUS mich liebt (also, da war ich schon sehr lange bekehrt, wusste aber SEHR WENIG von SEINER Liebe), MUSS ich nicht mehr (bittere) Medizin für die Sünder verteilen oder ihnen ihre vorhalten, damit sie endlich begreifen, dass sie GOTT brauchen.
Ich kann, will ihnen zeigen WER GOTT ist, wie sehr seine Liebe verändert!
Ich erinnere mich, David, an einen Beitrag von Dir, der mich sehr berührt hat. Es ging um die Liebe GOTTES. Sie ist genug.
Bringen wir sie zu den Menschen, die LIEBE!!!!! Nicht irgendeine, sondern die LIEBE von Papa, von meinem Freund JESUS. ER sagt, er ist nicht gekommen, um zu richten, sondern zu retten, warum machen wir es nicht ebenso?
Bringen seine Liebe zu den Menschen durch Wertschätzung, Gebet, Heilung, Nahrung, Hilfe,…… und wenn sie SEINER Liebe begegnen, dann werden sie erkennen alles was nötig ist: Ihre Zerbrochenheit und SEINE Heilung, ihre Sünde und SEINE Vergebung,….
Seine Liebe genügt Ausrufezeichen.
LG Regine
PS Ach so und vielleicht kann man noch einmal im NT schauen, wem JESUS mit der Gerichtsbotschaft kam (gar den Frommen??) und wem er schlicht in LIEBE begegnete und sie so ihr Leben veränderten (Sündern und Armen).
Hallo David,
danke für deine Anregungen zu den vier geistlichen Gesetzen. Ein Gedanke, der mir in diesem Zusammenhang gekommen ist, Jesus begann nach Matt. 4, 17 mit einem Aufruf zur Umkehr. Also kein „Gott liebt dich“ vorweg. Allerdings koppelt Jesus den Ruf zur Umkehr mit „… ,denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ ( Luther 1984 ) Also, die Umkehr ist mit einer Verheißung verbunden. Oder es läßt sich vieleicht auch so sagen, eine Umkehr lohnt sich, weil Gottes Gegenwart / Reich nahe ist. Ich denke, in diesem Sinne ist das Evangelium eine gute Nachricht für Christen und Nicht-Christen.
Herzliche Grüße aus Hamburg / Bramfeld.
von Frank.
Hi Frank,
um dieses „Buße tun“ wird es in einem zukünftigen Post sicher noch näher gehen, vorab nur kurz ein Gedanke:
Ich glaube, dass wir den Begriff mit etwas füllen, das vor allem von unserer Erfahrung, wie mit dem Begriff umgegangen wurde, geprägt ist.
Will sagen: Was bedeutet das griechische „Metanoia“ (Buße) eigentlich?
Bei der Neues Leben Übersetzung (die ich sonst sehr schätze) biegen sich bei mir jedenfalls die Zehennägel hoch:
Von da an begann Jesus zu predigen: »Hört auf zu sündigen und kehrt um zu Gott, denn das Himmelreich ist nahe.« (Mat 4,17 nach Neues Leben Bibel).
Genau diese Füllung ist es, die wir bei dem Wort in der Regel vor Augen haben. Ob das so zu Recht geschieht, hinterfrage ich hiermit, aber das werden wir uns noch genauer angucken müssen. Soviel in Kürze.
LG!
David
@Rolf
… er errettet uns, wenn wir bestimmte Dinge machen.
Das ist es ja eben nicht. Nicht wir machen etwas, sondern Gott macht. Soweit ich mich erinnere bieten alle Religionen der Welt an, dass man irgendetwas selbst für sein Heil „machen“ kann. Bei Gott ist das ja aber anders. Gott ist bezüglich seiner Ehre sehr klar: Sie gebürt Ihm allein. Uns Menschen wird keinerlei (Eigen)Ruhm übrig gelassen.
„Denn aus Gnade seid ihr errettet worden aus Glauben, nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken damit sich niemand rühme..“
Das ist ja das demütigende für alle Menschen. Nicht mal unseren eigenen Glauben können wir uns auf unsere „Fahnen“ schreiben – es bleibt auch dies ein Geschenk der Liebe und Gnade Gottes.
Ich möchte mich hier auch nicht an den vier Gesetzen als solche aufhalten. Dass das „klassische“ Evangelium in Verruf gekommen scheint liegt kaum am Evangelium selbst, sondern an einer Entwicklung innerhalb des Christentums, bzw. an uns Christen: Man hat sich oft von der Torheit des Kreuzes abgewandt und hat versucht, das Evangelium, sagen wir, „publikumsfreundlicher“ zu machen. Veranstaltungen wie Pro Christ haben sicher auch dazu beigetragen, wobei die letzte Auflage wieder etwas klarer bezüglich des Evangeliums war. Aber beim letzten sog. „Jesus House“ habe ich das Evangelium gänzlich vermisst.
„Denn die Botschaft vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verlorengehen.“
Und natürlich hört sich das erstmal komisch an: Wir sind Kinder des Zorns, Tod in Vergehungen und Sünden. Wir haben uns die ewige Hölle „redlich“ verdient. Und selbst Paulus seufzt in Römer 7: „In mir, das heißt, in meinem Fleisch wohnt nichts Gutes.“ Aber haben wir als Gläubige Paulus irgendetwas voraus, wenn wir nicht über die noch in uns wohnende Sünde klagen, obgleich wir „gesegnet sind mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt in Christus, in dem wir die Erlösung durch sein Blut haben“?
Gottes überschwengliche Liebe und sein Erbarmen zeigen sich am Kreuz. Und dieser Ort ist tatsächlich an Paradoxie kaum zu übertreffen: Jesus (Gott), der von Gott Zerschlagene und Jesus (Gott), der dies für mich und dich erleidet um zu zeigen, wie weit er geht, um mit dieser seiner Liebe uns zu überzeugen, dass er es ernst meint.
Was ist das doch für eine Herrliche Botschaft? Dies erschließt sich aber eben nur denen, welche bei „0“ angelangt sind und nicht denen, welche hier und da noch den einen oder anderen Ruhm für sich vor Gott beanspruchen.
Hallo David,
ich kann evtl. dein Befremden bezüglich der vier Gesetze verstehen. Habe mir die Videos angeschaut. Ist ja ganz nett, der Boppi. Aber ob man eine so drastische Botschaft immer so nett verpacken kann oder sollte?
Meines Erachtens wird kaum der Unterschied zwischen Gott und uns klar. Wenn wir Jesaja 9? lesen, ruft Jesaja: „Wehe mir …“, als er Gott im Tempel erblickt. Selbst Petrus sagt: Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch. Wenn Jesus wiederkommt werden die Menschen ähnliches rufen Offenb,6: „Verbergt uns vor dem Zorn des Lammes„.
Ob es ein vermischtes AT/NT-Gottesbild gibt wage ich etwas zu bezweifeln: Im AT: Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Ich habe dich eh und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.
Im NT: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen./Da wir den Schrecken des Herrn kennen, ermahnen wir Menschen…???
Nicht zuletzt redet Jesus erstmals sehr deutlich über die Hölle. Beides verschärft sich: Die Gnade Gottes und die Gerechtigkeit Gottes.
Nun – „krank“ ist vielleicht ein scharfes Wort, aber im Grunde sagst du nichts anderes, nur mit etwas Zucker drauf ;-). Das bezieht sich ja auch nicht auf Menschen, sondern auf ein Denksystem. Deshalb empfand ich das jetzt nicht als unfreundlichen Umgang. Vielleicht hast du aber recht – wenn du oder jemand anders sich da persönlich angegriffen fühlt – das tut mir leid.
Zynisch? Doch, das empfinde ich ein wenig (!) so, wenn man sagt: „Eigentlich macht die gute Nachricht die meisten Menschen gar nicht froh.“ Vielleicht ist es auch eher Verzweiflung, weil man selbst diese Freude nicht findet in dem, was man für Evangelium hält. Du sagst ja selbst: Die meisten Christen haben das Evangelium nie gehört. Bin ja immer noch gespannt, wie du es positiv auflöst.
Ich sehe auf jeden Fall nicht viele Menschen in der Bibel, die nach der Begegnung mit Jesus nicht froh war. Den reichen Jüngling, dem sein Reichtum wichtiger war als Gottes Reich. Ok, seine Entscheidung. Die Schriftgelehrten, die in ihrer Weltsicht und ihren Machtansprüchen gefangen waren und da nicht rauskamen. Auch selbst Schuld. Sonst jemand? Selbst die Herzen von römischen Soldaten hat er aufgebrochen.
Zudem halte ich den Satz von Matthias „Jesus ist ja nicht zu den Gerechten, sondern zu den Sündern, nicht zu Gesunden, sondern zu den Kranken gekommen – um sie zur Buße zu rufen.“ für einseitig. Jesus ist doch zu den Kranken gekommen, um sie zu heilen, aufzubauen und zu ermutigen. Zur Buße rufen musste er vor allem diejenigen, die glaubten, nicht krank zu sein. :)
Matthias‘ Ottonormalbürger von heute würde ich mit dem „allerlei Volk“ von damals gleichsetzen. Auf ihr Gesicht hat Jesus ein Lächeln gezaubert.
LG,
Rolf
Hammer-Kommentar von dir, Rolf! Sowohl vom Spirit als auch vom Inhalt.
Da bin ich voll bei dir! Das Evangelium ist, sollte und muss gute Nachricht sein!
LG!
David
@Rolf
(Der „Satz“ [Gesunde,Kranke,Gerechte,Sünder] stammt ja nicht von mir, sondern von Jesus selbst).
Das hört sich bei Dir so an, als wenn Jesus zeitweise nicht nur sehr beliebt gewesen wäre, sondern auch die Massen an in geglaubt haben. Das Johannesevangelium unterstützt diese Darstellung aber nicht.
Bei der Kreuzigung wird von einem römischen Soldaten positives gesagt – und vom römischen Hauptmann mit dem kranken Diener–Massen sind das nicht. Man denke an die Grabwache …!
Massen an Volk hat auch nach einem „Hosianna“ ein „Kreuzigt Ihn“ hören lassen.
Klar, mit Wundern, Heilungen und den Broten war er recht beliebt gewesen. Wer wäre (ist) das heutzutage nicht? Aber selbst (oder gerade) in seiner Vaterstadt Nazareth hat er den Zorn der Menschen geschlossen auf sich gezogen, obgleich er das Gnadenjahr verkündet hat – aber eben nicht so, wie sie es gerne gehabt hätten.
„Wenn die Welt euch hasst so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat.“
Ist es also abwegig davon auszugehen, das die Menschen sich seitdem nicht grundlegend geändert haben?
Auch heute ist es doch so: Diejenigen, welche begreifen, wie arm sie vor Gott sind, haben in Jesus wahren Grund zu Freude. Aber all die „klugen“ Theologen, selbstsicheren Menschen, die Reichen (sei es materiell, intellektuell, äußerlich, begabt oder sonstwie) und „Saubermänner“ aber stoßen sich bis heute mehr oder weniger an Jesus.
„Den Armen wird die frohe Botschaft verkündigt.“
Hallo Leute, stiess durch Zufall auf die interessante Diskussion – danke David für gute kritische Gedanken. Hab das mit meiner Frau diskutiert und die grundsätzliche Frage tauchte auf: wer sagt / wo sagt die Bibel, dass Gott jeden Menschen individuell „liebt“? Er liebt die Welt (pauschal), Israel, seinen lieben Sohn – aber jeden noch unerlösten Menschen im vollen persönlichen Sinn? Verwechseln wir nicht das Geschöpf-Sein (das einen grossen Wert hat, Ebenbildlichkeit) mit dem vollen „geliebt-werden“? Sind wir nicht erst in Christus geliebte Kinder?
Das würde das Problem aufs erste geistliche „Gesetz“ verlagern, das ist schon schief. Wir locken die Leute mit Aussagen, die von Anfang falsche Erwartungen hervorrufen – und dann ist das Sünder-Sein natürlich eine kalte Dusche. Wie seht ihr das?
Reinhold, freut mich, dich auch hier zu sehen/lesen. Mann, du stellst aber Fragen. :-)
Die kam jetzt komplett unerwartet von hinten links. Aber finde ich gut, fordert heraus, klar und scharf zu denken.
Ich glaube, zu der Frage werde ich einen eigenen Post schreiben, dann kann man konkreter diskutieren.
Viel Segen du Brandleger!
David
Och, David, ich komm meistens von vorn :) Aber vielleicht ist es ein Privileg des Alters, dass mann und frau so völlig unbefangen grundsätzliche Fragen stellen können :-) Lieber Gruss !
LOL, wie gesagt: Schön, dich hier dabei zu haben.
Hi Reinhold,
deine Unterscheidung (zwischen der allgemeinen Liebe Gottes, die allen gilt und der persönlichen/ individuellen Liebe, die seinen Kindern gilt) erscheint mir widersinnig (und ziemlich anthropomorph).
1. Wenn Gott der Inbegriff von dem ist, was wir Liebe nennen, macht so eine Unterscheidung keinen Sinn. Pure Liebe ist pure Liebe. Der Inbegriff eben.
2. Liebe ist immer persönlich. Wir sagen vielleicht, „ich liebe Popmusik“ aber das meint in Wirklichkeit „ich mag Popmusik total gerne, sie gefällt mir, mir geht einer ab, wenn ich Popmusik höre“, meint also etwas anderes. Liebe in allen ihren Konjuntionen (eros, philia, agape) drückt immer ein Beziehungsverhalten zwischen Personen aus und ist damit per se individuell. Gott kann nicht „die Welt“ als gesichtslose Masse lieben, weil Liebe nie gesichtslos ist.
Hi Jay,
ich gebe dir grundsätzlich recht – das Problem ist, dass du Definitionen von Liebe nimmst und sie auf Gott rückprojizierst. Das machen wir oft: wir lesen aus der Bibel oder von sonstwo ein Prinzip heraus und wenden es dann an. Bei vielen Themen mag das gehen, bei Gott müssen wir vorsichtig sein. Er ist keinem Prinzip untertan.
Natürlich liebt Gott die Welt und damit irgendwo auch jeden Menschen. Mein Problem ist, was wir da alles reinpacken: emotional („Gott ist ganz verrückt nach dir / du darfst dem Papa auf den Schoss sitzen) und total individualisiert (Du bist du, das ist der Clou….) – beides (post)moderne westliche Brillen, mit denen dann die Bibel gelesen wird. Meine Herausforderung bleibt: wo findet sich ein biblischer Befund, dass Gott alle Menschen (ausserhalb Israel, das erwählt war) auf so emotionale und individualisierte Art liebt?
Btw: ich habe gerade auf Davids Anregung hin das gute Video mit Ortberg / Willard angeschaut – das Reden von „Gnade“ scheint mir über weite Strecken viel mehr dem Charakter Gottes und dem biblischen Befund zu entsprechen als das Rumreiten auf dem ausgelutschten Wort Liebe :-)
Hallo Reinhold (und David – Du hattest ja nach biblischen Begründungen für die individuelle/ persönliche Liebe Gottes gefragt),
ich verstehe schon, was du meinst. Ja, man kann nicht einfach unseren heutigen Gebrauch eines Wortes zurückprojezieren und so tun, als ob das schon immer so verstanden worden sei. Da muss man sorgfältig arbeiten, weshalb es ja ein Segen ist, dass es so etwas wie die historisch kritische Bibelforschung gibt, die sich genau mit solchen Fragen beschäftigt.
Aber, nur weil heute „Liebe“ ein ausgelutschter Begriff ist, sollten wir ihn keinesfalls mit „Gnade“ ersetzen. Liebe ist Liebe ist Liebe – und die heilige Schrift sagt uns, dass Gott die Liebe ist. Und gerade Jesus stellt uns Gott doch als einen persönlich liebenden Gott vor. Sofort fällt mir hier sein Gleichnis vom Guten Hirten ein, der 99 Schafe stehen lässt, um eines zu finden. Und die Geschichte vom verlorenen Sohn (oder besser den verlorenen Söhnen). Wenn da keine Liebe beschrieben wird, die den Einzelnen, persönlich meint, dann weiß ich auch nicht.
Ausßerdem stellt uns Jesus Gott als einen liebenden Vater vor, den auch wir Vater, bzw. Papa (abba) nennen sollen (siehe Vaterunser). Und wenn man sicher sagen kann, dass so etwas wie „Vaterliebe“, darin, wie sie sich äußert, auch Veränderungen unterliegt und nicht unbeeinflusst vom Zeitgeist bleibt, so können wir do ganz sicher sagen, dass sie jedenfalls SEHR persönlich ist. Da ist ein Vater und ein Kind und dieser Vater liebt DIESES Kind. Und wenn hier nicht auch mindestens „auf dem Schoß sitzen“ mit drin steckt, dann geht es uns als Kindern Gottes schlechter als meinen eigenen Kindern! Und das kann ja nicht sein. Gottes Liebe muss immer vollkommener sein, als das, wozu ich fähig bin. Sonst ist er nicht Gott.
Und noch ein Argument. Jesus hat gesagt: wenn ihr mich seht, seht ihr den Vater. Was hat Jesus getan? Sich fortwährend und sehr intensiv um Einzelschiksaale gekümmert! Sie geheilt, sich ihre Sorgen angehört, ihnen Sünden vergeben, mit ihnen gefeiert etc. Das war doch superpersönlich. Und das ist ja gerade einer der Knackpunkte des christlichen Glaubens, dass er Gott nicht mehr nur auf der jüdisch-völkischen Ebene denkt, sondern auf einer globalen, kosmopolitischen, weil jeder Einzelne zählt und wert ist (ungeachtet davon, ob er Jude ist oder nicht). Warum? Weil Gott uns „vor Grundlegung der Welt dazu bestimmt hat, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus“ Eph. 1,5. Wenn Gott also über Jesus sagt: „siehe, mein geliebter sohn“ (SEHR persönlich!), dann sagt er das über alle seine Kinder. Schließlich wird in Jesus ja „alles zusammengewass, was im Himmel und auf Erden ist“ Eph. 1,10.
Undsoweiterundsofort… :-)
Paul Washer ist vielleicht ein Begriff! Ich weiß nicht, ob man das als erfrischend bezeichnen kann, aber mir spricht er aus dem Herzen, auch wenn er wie ein großer Bruder wäre, denn ich „vorschiebe“, ohne ihm irgendwie wirklich gewachsen zu sein.
Paul Washer über verlorene das Evangelium
Für mich relativiert sich auf dieser Grundlage einiges an Diskussion.
Von Paul Washer habe ich mir schon mal Sachen angeschaut (mit sowohl-als auch-Gefühlen). Da ich jetzt nicht die Zeit habe, mir 90 Minuten Video anzuschauen (manch anderer vermutlich auch nicht), die Frage: Was sind deiner Meinung nach für unsere Diskussion hier die relevanten Argumente aus Paul Washers Sicht? Wenn du kannst und magst, wären Zeitangaben im Video großartig, sodass wir uns die betreffenden Abschnitte angucken können.
Guter Tipp! Ich glaube, dass man gar nicht gleich alles hören müsste, aber einfach mal anfangen. Ab den Zeiten wird es vielleicht etwas konkreter. Man kann es auch gut „nebenbei“ hören, ohne Bild.
19:00 Haben wir eine Vorstellung, wie grotesk es war, was Jesus am Kreuz durchgemacht hat?
ab 20:15 Warum wir viel über Sünde reden müssen
Vielleicht ist hier ein Knackpunkt: Die Herrlichkeit Gottes strahlt umso heller, wenn der immense Unterschied zwischen dem abgrund tief sündigen Menschen und der Herrlichkeit des ewigen und heiligen Gottes deutlich gemacht wird.
ab 23:50 Was heißt es: „da er zum Fluch für uns wurde“? Sehr klare Auslegung
Weiter will ich hier erstmal gar nicht schreiben. Sonst kann ich gleich die Untertitel für die Videos schreiben :)
Hm…
ich gestehe, ich habe es nicht gehört, aber irgendwie stößt mir der Knackpunkt schon beim Lesen auf!
Hm…
Wie kann ich es beschreiben?
Ich wünsche mir, dass Menschen SEINE Herrlichkeit sehen. Zuerst! Ich will nicht, dass sie ihre Sünde sehen, um SEINE Herrlichkeit zu erkennen. Ich glaube, dass man sich selbst erkennt, wenn man in GOTTES Licht steht. Also andersherum.
Das mag spitzfindig klingen, aber mir ist es wichtiger, ihnen JESUS zu zeigen. ER ist derjenige, der dafür zuständig ist, den Menschen ihre Sünden zu zeigen, ihnen die Punkte zu zeigen, die Veränderung brauchen (so wie mir immer wieder). Der HEILIGE GEIST überführt sie, sagt die Bibel. Wir zeigen ihnen GOTTES Herrlichkeit! Was für ein Privileg!
Und noch was (mag auch spitzfindig klingen): GOTT hat es nicht nötig, uns möglichst dreckig da stehen zu lassen, damit ER heller erstrahlt!
Es geht nicht darum, Ungerechtigkeit zu verschweigen, oder die Dinge nicht beim Namen zu nennen.
Soll ich den Menschen ihre Sünden zeigen? Kann ich das? Kann ich sie überführen?
Oder ihnen zeigen, WER JESUS ist und ihnen GOTTES Herrlichkeit vor Augen halten, ihnen SEINE Liebe zeigen?
Mag sein, ich wiederhole mich: Seine Liebe genügt!
LG Regine
Hallo Regine,
vielleicht kann ich verstehen, was du meinst! Ich sage auch nicht jedem gleich, das er ein Sünder ist und denke auch nicht, dass man jedes evangelistische Gespräch so beginnen sollte.
Als Jesaja Gott sah, riefen die Engel: Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr der Heerscharen.
Gott hat es tatsächlich nicht nötig uns möglichst dreckig stehen zu lassen – es reicht, wenn wir einen winzigen Teil von seiner Heiligkeit begreifen würden. Dann würden (oder sollten) wir uns aber zu kaum einem anderen Schluß wie Jesaja kommen.
Wenn wir über Sünde reden, dann sollte es genau das sein: Uns (und die Zuhörer) da einzuordnen, wo wir in Wirklichkeit vor Gott stehen.
Ohne Frage überführt der Heilige Geist. Aber er tut es durch das Wort bzw. das Gesetz, wie Paulus sagt: „Die Sünde hätte ich nicht erkannt als durch das Gesetz“. Aber das muss gepredigt werden. Gott wirkt durch sein Wort.
Wenn die Leute mitbekommen, dass der Prediger (oder wer auch immer) selbst unter solcher Überführung steht und ein „geistlich Armer“ (kein Pharisäer) ist, dann werden die Offenen Menschen es annehmen können.
Aber … schau einfach doch mal das Video an. Da erklärt sich (dem englischverstehenden) vieles von selbst
Hallo Matthias, ich habe mir die Passagen gerade angeschaut (dank dir für deine Mühe).
Hmm, ich teile seine Ansicht einfach nicht. Er begründet sie aus meiner Ansicht auch nicht wirklich (gut). Wenn er ab 25:30 aus den Seligpreisungen dann zusätzlich auch die „Verfluchtheiten“ macht, dann frage ich mich: Warum? Hat Jesus doch auch nicht gemacht. Wenn Jesus es schon nicht gemacht hat, warum sollten wir es dann?
Wenn ich dann Regines Kommentar lese, dann rufe ich „Preach it, sister!“ Es ist die Güte Gottes, die Menschen zur Umkehr führt, nicht das Vorhalten ihrer Sündhaftigkeit.
Ob ich dich mit meiner auch noch folgenden Argumentation überzeugen werde, bezweifle ich ehrlich gesagt etwas, aber stay tuned. Es hilft immer, die Gedanken zu schärfen, wenn jemand den advocatus diaboli spielt, auch wenn diese Formulierung hier vielleicht sogar in doppelter Bedeutung gilt, denn Gott klagt uns nicht an, es ist der Teufel. Gott hat bereits alles getan, dass wir Menschen wieder Gemeinschaft haben können, wir müssen es nur glauben.
Ich antworte mal hier oben auf deinen Kommentar ganz unten. Sonst wird es vielleicht doch etwas schmal :).
Es lohnt sich (es ist alles nicht ganz einfach zu verstehen, ich gebe es zu), die ganze Predigt anzuhören.
Dann könnte sich vielleicht auch Regine wiederfinden. Es ist eben beides: Zorn und Liebe, Vergebung und Verdammnis,
Rettung und Verlorenheit.
Im weiteren Verlauf der Predigt geht er noch auf die herzlosen Prediger ein, welche wohl das richige reden mögen, aber dann doch das
Evangelium nicht predigen. Eben auch Thema des Blogs!
Wenn Gott die Menschen durch seine Güte zur Umkehr führt: Wie sehr kann man Gottes Güte erkennen, wenn man dies sieht:
Wer ist Gott und wer bin ich? Was habe ich eigentlich verdient und was hat er für mich getan?
Da kann einem doch wirklich das Herz aufgehen.
Meiner Ansicht ist er einer der Prediger, welche Jesus wirklich groß machen.
Gute Punkte von dir, David.
Ich würde das Ganze nicht so kompliziert machen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass auch die 4GGs aus einer bestimmten Zeit kommen und auch die theologischen Grundlagen dafür eher noch aus dem Mittelalter stammen. Martin Luther, der den gnädigen Gott suchte, sehr ehrenwert und auch sehr notwendig, aber ehrlich gesagt: Wer von unseren Mitmenschen hat heute dieses Problem auf der Agenda? Die haben ganz andere Probleme.
Der Mensch hat eine schicksalhafte Bestimmung. Diese Bestimmung hat Gott in sein Leben hineingelegt. Jeder Mensch ist einzigartig, vom Schöpfer vom Ursprung her geschaffen und geliebt. Als Individuen sind wir Gott unendlich wertvoll. Doch wir haben uns von unserem Ursprung von Gott entfremdet. Wir sind es, die uns dem Wesen Gottes entfremdet haben und Wege gehen, die uns selbst zerstören. Wir müssen zum Ursprung zurückfinden, zu Gott. Darum hat Gott Jesus, seinen Sohn gesendet. Jesus nimmt stellvertretend für alle Menschen die Entfremdung auf sich und stellt einen Bund her, indem er sein Blut vergießt. Indem wir die Erlösung annehmen, die Jesus schenkt, können wir mit Gott versöhnt werden, finden unseren Ursprung und unser Ziel wieder. Wir können jetzt ein Leben führen, das sich am Wesen Gottes orientiert und das seelisch und geistlich ausgeglichen ist versöhnt mit Gott, mit sich selbst und mit seinen Mitmenschen. Wir sind berufen, Teil von Gottes Plan in dieser Welt und in seinem Plan mit dieser ganzen Welt und darüber Hinaus zu werden. Gott schafft eine zukunftsweisende Gemeinschaft seiner Kinder mit einer besonderen Berufung, … und so weiter und so fort.
So würde ich heute vielleicht das Evangelium erklären. Der heutige Mensch will doch immer zum Ursprung zurückfinden, findet sich irgendwie entfremdet mit seinem Ursprung und naja wer sehnt sich nicht nach einer vorbestimmten Berufung? Und ich finde das ist eine gute Nachricht.