In der Reihe Bewertung der  „Evangeliums-Erklärungs-Tools“ ist nach den ersten beiden Punkten

  1. Die Brücke
  2. Evangelisation Explosiv

nun Nr. 3 dran:

3. Die vier geistlichen Gesetze

Die vier geistlichen Gesetze stammen von Bill Bright, dem Gründer von Campus für Christus.

Die vier Gesetze lauten:

  1. Gott liebt dich und bietet einen wundervollen Plan für dein Leben. (Joh 3,16, Joh 10,10)
  2. Der Mensch ist sündig und von Gott getrennt. Deshalb kann er die Liebe und den Plan Gottes für sein Leben nicht erkennen und erfahren.
  3. Jesus Christus ist Gottes einziger Ausweg des Menschen aus der Sünde. Durch ihn können Sie die Liebe Gottes und seinen Plan für Ihr Leben kennenlernen und erfahren. (Röm 5,8, 1 Kor 15,3-6, Joh 14,6)
  4. Wir müssen Jesus Christus persönlich als Erlöser und Herrn aufnehmen, dann können wir die Liebe Gottes und seinen Plan für unser Leben erfahren. (Joh 1,12, Eph 2,8-9, Joh 3,1-8, Offb 3,20) Quelle: Wikipedia, ausführlicher auch hier.

Ich möchte zwei Dinge hinterfragen: Einmal die theologische Spannung, die sich aus Punkt 1 und 2 ergibt. Und zum anderen die Art und Weise, wie die vier geistlichen Gesetze oft präsentiert werden, wobei die theologische Spannung bzw. Ungenauigkeit meines Erachtens der Grund ist für die Art und Weise, wie die Punkte oft präsentiert werden, aber der Reihe nach:

Von welcher Spannung rede ich?

Punkt 1 betont, dass Gott uns liebt. Und wer hier mal auf dieser wirklich gut gemachten neuen Webseite zu den vier geistlichen Gesetzen nachschaut, sieht eine wirklich gute Präsentation des ersten Punktes. Und ich meine: Wirklich gut. Da habe ich gar nichts auszusetzen, schauen wir ihn uns an, ich zitiere mal aus dem Anfang des Videos:

„Gott liebt dich unglaublich fest. Er hat dich schon immer geliebt und er wird dich immer lieben. Seine Liebe ist grenzenlos und du kannst sie dir mit nichts verdienen, sie ist einfach da. Gott liebt dich genauso wie du bist, mit allen deinen Fehlern…“

Boppi von Campus für Christus Schweiz erzählt davon, wie bedingungslos seine Liebe zu seinem eigenen Kind ist. Großartig, kann ich als Vater von zwei Kindern absolut unterschreiben. Meine Söhne müssen gar nichts dafür tun, dass ich sie liebe.

Fazit in Bezug auf das evangelistische Gespräch: Gott liebt den Sünder bedingungslos.

Hmm, wäre da dann nicht Punkt 2:

Boppi zitiert wörtlich aus Jesaja 59,2 (nach Gute Nachricht Bibel):

Wie eine Mauer steht eure Schuld zwischen euch und eurem Gott. Wegen eurer Vergehen hat er sich von euch abgewandt und hört euch nicht.

Also ich kann das drehen und wenden, wie ich will: Nach bedingungsloser Liebe klingt das nicht. Gott hat sich wegen der Vergehen des Volkes Israels abgewandt und hört sie noch nicht einmal mehr.
Was soll dann mein Gegenüber denken? Doch so etwas wie: Weowow, was soll Gott dann erst von mir denken mit allen meinen Sünden?

Jetzt muss ich sagen, dass Boppi in dem Video einen guten Job macht, die Folge von Sünde in unserem Leben zu erklären, aber ich komme nicht drum herum: Es bleibt diese Spannung, dass der erste Punkt sagt:

„Du bist bedingungslos geliebt“

und der zweite Punkt:

„Äh, so bedingungslos ist das eigentlich gar nicht, deine Sünde trennt dich von Gott, eigentlich kann Gott so mit dir gar keine Gemeinschaft haben. Also eigentlich hast du erstmal ein fettes Problem.“

Jetzt sagen einige dann den oft gehörten Satz: „Gott liebt den Sünder, aber hasst die Sünde“.

Aber da bin ich sogar der Meinung, dass Mark Driscoll in seinem schon Anfang des Jahres erwähnten Video das Ganze konsequenter zusammenfasst, wenn man schon solche alttestamentlichen Verse (also Verse aus dem alten Bund) heranzieht. Ich zitiere aus meinem alten Artikel:

Mark sagt:

“Christen sagen ‘Gott hasst die Sünde, nicht den Sünder.’ – Das ist Ghandi, nicht Jesus!”

“Some of you, God Hates you – some of you, God is sick of you, God is frustrated with you, God is wearied by you, God has suffered long enough with you.”

frei übersetzt: “Manche von euch, Gott hasst euch – manche von euch, Gott hat euch satt, Gott ist frustriert mit euch, ist euch müde, Gott hat euch lang genug ertragen.”

Gott hasst nicht nur die Sünde, er hasst auch den Sünder.
Er zitiert Psalm 5, Vers 5 (oder deutsch Vers 6): You hate all evildoers (ESV), deutsch: du hassest alle, die Götzendienst üben. (Elberfelder)

Und ein letztes Zitat von Mark Driscoll:

“You and I are, we are sinners are and are by nature objects of wrath. That’s a quote from the Bible.”
frei übersetzt: “Du und ich, wir sind Sünder und sind nach unserem Wesen Objekte Gottes Zorns. Das ist ein Zitat aus der Bibel.”

Hier ist ein guter Punkt, die Kurve zu kriegen, denn Mark sagt, dass er hier die Bibel zitiert, aber er zitiert sie falsch:

Er zitiert aus Epheser 2,3 und jetzt kommt der entscheidende Unterschied:

Zunächst mal englisch nach NIV: “Like the rest, we were by nature objects of wrath.”

Deutsch nach NGÜ, weil es die so schön ähnlich ausdrückt: “So, wie wir unserem Wesen nach warenhatten wir – genau wie alle anderen – nichts verdient als Gottes Zorn.”

Were – waren – hatten – Vergangenheit! Past Tense, brother Mark!

Soweit mein alter Artikel, wer ihn noch nicht kennt, kann ich ja noch nachlesen, ich habe den Abschnitt für unsere Frage heute herauskopiert, um zu zeigen, wie ein alttestamentlicher Ansatz konsequent durchgezogen wird:

Im AT hasste Gott nicht nur die Sünde, sondern auch den Sünder, die Sünde trennte Gott so sehr von seinem Volk, dass er sie nicht einmal mehr hörte.

Nun offenbarte sich Gott in Jesus ganz neu. Jesus sagte sogar, dass die Welt den Vater gar nicht kennt (Joh 17,25), aber wenn ich hier tiefer einsteige, würde ich diesen Post überfrachten.

Für jetzt will ich mich damit begnügen, auf das Vermischen von Altem Bund-Denken und Neuem Bund-Denken zu verweisen und betonen, dass ich so, wie die vier geistlichen Gesetze formuliert sind, sie nicht als das Evangelium, nicht als gute Nachricht ansehe.

Diese theologische Ungenauigkeit prägt meines Erachtens auch das Gottesbild vieler Christen:

Sie denken, dass Gott die Sünder und ihre Sünde hier und heute so sehr verabscheut, dass die Sünder eigentlich tot umfallen müssten oder Gott sagt: „Lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte.“ (2.Mose 32,10)

Da kann im Neuen Testament in was weiß ich wie vielen Hammerversen das Gegenteil stehen (wie z.B. Joh 3, 16 oder Römer 5,8), das Gottesbild vieler Christen ist von einem Mischmaschdenken von Altem und Neuen Bund geprägt.

Und das wiederum prägt die Art und Weise, wie Christen die vier geistlichen Gesetze kommunizieren.
Sprich: Manchmal wird daher der erste Punkt fast gänzlich fallen gelassen und die vier Punkte werden zu drei Punkten, die mit einer fetten schlechten Nachricht beginnen.

Dabei hat Boppi (hier der wirklich gut gemachte Video-Podcast) die bedingungslose Liebe Gottes im ersten Punkt phänomenal gut kommuniziert, aber die theologische Ungenauigkeit im zweiten Punkt lassen die vier Punkte dann doch irgendwie zu keiner guten Nachricht werden.