Heute will ich die Serie zum Abchluss bringen, warum in den vier wohl am meisten genutzten Evangelium-Erklärungs-Tools nicht wirklich das Evangelium (also: gute Nachricht) kommuniziert wird. Die Posts davor findet ihr hier, hier und hier. Ich weiß, dass einige schon auf die Posts danach warten („Was isses denn nun deiner Meinung nach?“), aber erstmal geht es heute um den letzten Punkt der Serie:

4. Der Römerweg (engl. Romans Road)

Der sogenannte Römerweg war die erste Hilfe, die ich gelernt habe, um jemandem „das Evangelium“ erklären zu können. Letztlich besteht der Römerweg aus Versen aus dem Römerbrief:

Römer 3,23, Römer 6,23 (meist in zwei Teile aufgeteilt), Römer 5,8, Römer 10,9-10 und zum Schluss, wenn man mag: Römer 5,1 und 8,1

Alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes
Römer 3,23

Denn der Lohn der Sünde ist der Tod,

die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.
Römer 6,23

Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.
Römer 5,8

Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du gerettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil.
Römer 10,8b-10

Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.
Römer 5,1

Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
Römer 8,1

(alle Bibelstellen nach der rev. Elberfelderübersetzung)

Zunächst will ich dazu sagen, dass ich am Römerweg im Vergleich zu den anderen Erklärungs-Tools am wenigsten auszusetzen habe. Was soll ich auch gegen Verse aus dem Meisterwerk von Paulus haben? Das sind alles Hammerverse. Super wichtig und super befreiend.

Mein Problem mit dem Römerweg liegt eher an der Art und Weise, wie der Römerweg in der Regel kommuniziert wird. Und dies wiederum liegt daran, wie diese Verse inhaltlich gefüllt werden bzw. wie wenig sie mit dem gefüllt werden, was Paulus in und mit ihnen eigentlich kommuniziert hat.

Meine These:

Da in evangelikalen Kreisen das Verständnis von Gnade und der Gerechtigkeit, die wir durch Christus haben, so unterbelichtet ist und wir in der Praxis oft ein stark mit Gesetz verunreinigtes Evangelium predigen und leben, wird auch ein mit Hilfe dieses Römerwegs kommuniziertes Evangelium zu einer weitaus schlechteren Nachricht als das Evangelium eigentlich ist.

Ich weiß, ein Satz zum dreimal lesen, daher brösele ich ihn auch noch mal auf.

In evangelikalen Kreisen kennen wir einen gnädigen Gott, aber oft nur bis zur Bekehrung und anschließend tendenziell widerwillig gnädig.

Wie schrieb Storch in seinem großartigen neuen Buch Heilung:

So lange man noch ein unbekehrter Sünder war, zeigte Gott sich von seiner besten Seite. Er wurde aber ganz schnell zum knickrigen Erbsenzähler, wenn man sein Kind war. So gab es Regel über Regel.

Bis zur Bekehrung predigen wir Gott als liebenden Vater, der mit offenen Armen auf seinen verlorenen Sohn zu läuft, aber nach der Bekehrung gilt es dann gute Werke zu tun, weil wir sonst unser Heil verspielen.

Wir missinterpretieren Verse wie Philipper 2,12: „Bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern“ und meinen, jetzt müssen wir uns aber ganz doll anstrengen, dass Gott auch immer noch glücklich mit uns ist.

Oder wir lesen „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ (Matthäus 7,16), verstehen den auch falsch und geraten so unter Stress, jetzt auch gute Früchte im Leben zu zeigen, denn sonst werden wir noch vom Weinstock abgetrennt und verlieren unser Heil.

Oder wir haben das Gefühl, dass wir nicht genug Zeugnis für Jesus gegeben haben und fragen uns, ob wir Jesus vor den Menschen verleugnet haben und befürchten, dass Jesus uns nun auch vor dem Vater verleugnen wird.

Liebe Freunde, dieses Denken ist in Deutschland so stark verbreitet, dass ich immer wieder Leute spreche, die ähnlich denken oder ähnliche Befürchtungen haben. Das taucht selbst in unserem Liedgut auf. Wer’s nicht glaubt, kann ja noch mal diesen Post über das Lied von Ost nach West lesen.

Frei macht das Ganze wahrlich nicht.

Wir haben weit verbreitet ein Gottesbild, in dem Gott so richtig mürrisch, mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn auf die Menschen (Christen wie Nichtchristen) schaut und sagt: „Jetzt sündigt der schon wieder, jetzt verleugnet sie mich schon wieder, jetzt hat der und die schon wieder keine Stille Zeit gemacht. Wann kriegt ihr das endlich mal auf die Reihe? Irgendwann hab ich genug von euch Pack.“

Dabei liegt nichts ferner von der Wahrheit!!!

Aber wir predigen ein Evangelium, das mit Gesetz, mit Werken verunreinigt ist.

Und was das Schlimmste für mich ist: Ich habe so ein verunreinigtes Evangelium einmal selbst gepredigt!

Und hätte ich zu Paulus‘ Lebzeiten gelebt, hätte der vermutlich zu mir gesagt:
Der David, er sei verflucht! (nach Galater 1,9)

Paulus war in Bezug auf das wahre Evangelium so richtig heftig drauf. Da kannte der gar nichts, für die Reinheit des Evangeliums und gegen die Verunreinigung mit Gesetzeswerken hat Paulus aber alles aufgeboten, was er konnte.

Und genau solch ein verunreinigtes Evangelium höre und lese ich immer noch.
Karrikiert ausgedrückt: Wir fangen unter Gnade an, aber ab der Bekehrung müssen wir uns mächtig anstrengen, da wir sonst a) Gott verärgern, b) unsere Sünde uns von ihm trennt, c) wir eventuell unser Heil verlieren und d), e) und f) könnt ihr selbst hinzufügen.

Und wenn ich jetzt noch einmal drei Verse aus dem Römerweg oben zitiere, dann sind das geniale Verse:

Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.
Römer 5,8

Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.
Römer 5,1

Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
Römer 8,1

Aber erst dann, wenn wir unser Gottesbild und unser Verständnis vom Evangelium überdacht haben.

Genau deshalb habe ich im Titel geschrieben: Gute Nachricht – kommt ganz drauf an.

Wenn wir Verse aus der Bibel missdeuten oder – anders ausdrückt – zum Beispiel die drei zitierten glasklaren Verse von kryptischen und schwierig zu verstehenden Versen erschüttern lassen, dann wird unser eigenes Gottesbild darunter leiden: Wir werden selbst nicht genau wissen, wie sehr wir Gott vertrauen können. Oder ob er am Ende nicht doch ein Vater ist, der zu fürchten ist, der unberechenbar ist, der im einen Moment noch der liebende Vater ist, nur um im nächsten Moment völlig ohne Ankündigung mit der schlagenden Hand ausholt und uns was Schlimmes auf den Hals hetzt.

Wenn das unser Gottesbild prägt, dann laufen wir große Gefahr, die obigen drei Verse und die Zusagen, die in ihnen stecken (und die gute Nachricht sind), fallen zu lassen und am Ende dann bei etwas anzukommen, was der Brücke wieder ziemlich ähnlich sieht: Schlechte Nachricht mit einer guten Option. Damit wird die „gute“ Nachricht zu etwas reduziert, das eher einer Vorstellung einer Weltanschauung ähnelt: „Das ist die christliche Weltsicht. Wenn du die glaubst, bist du drin.“ Mit guter Nachricht hat das alles meines Erachtens nicht viel zu tun.

 

Das führt uns zum Ende dieser vierteiligen Reihe und damit auch zu der Frage, die einigen schon unter den Nägeln brennt: „David, was ist denn nun deiner Meinung nach die gute Nachricht?“

Hier und da sind einige Facetten ja zum Teil schon durchgeklungen, aber keine Sorge: Natürlich werde ich mich ausführlich in positiver Weise mit dem Evangelium beschäftigen. Soweit ich das absehen kann, wird es zwei Übergangs-Posts geben, die unsere Krux mit dem Thema Evangelium auf den Punkt bringen und uns hoffentlich helfen, dem wahren Evangelium auf die Spur zu kommen. Das erfordert Unvoreingenommenheit und eine Offenheit zum Denken in neue Bahnen. Ja, das verunsichert anfangs erstmal, hat es mich am Anfang auch, geht es ja hier nicht um irgendein Randthema, sondern um den Kern unseres Glaubens: Das Evangelium.

Ermutigt haben mich die persönlichen Rückmeldung auf diese Reihe, denn mir ist klar, dass sich tendenziell eher Leute in den Kommentaren äußern, die entweder die Frage für sich schon so oder so neu bewertet haben oder die, die vom klassischen Evangelium weiterhin überzeugt sind und es gegen meine Anfragen verteidigen wollen. Wer aber denkt: „Endlich formuliert jemand mal meine Fragen, die mich schon länger beschäftigen. Jetzt bin ich um so gespannter, was es denn anders gedacht sein kann.“, der will erstmal in Ruhe drüber nachdenken.

Wenn du in diese Kategorie fällst, dann sei gewiss: Du bist mit deinen Fragen nicht allein! Die haben noch eine Menge anderer.

Und wer mir ne Mail oder über Facebook eine Nachricht schreiben will, darf das auch gern tun. Ich freue mich über jede Rückmeldung oder auch Frage zu dem Thema.

Aber natürlich auch über jeden öffentlichen Kommentar, da diese allen helfen, sich mit diesem wichtigen Thema auseinander zu setzen und zu einer eigenen Meinung zu kommen.

In diesem Sinne, Gnade & Frieden euch allen, bis zum nächsten Mal!