fahrradfahren

Im letzten Jahr brachte ich unserem jüngsten Sohn das Fahrradfahren bei. Da er das Laufrad schon kannte, dauerte das Training nicht all zu lang. Ich hielt das Fahrrad fest und sagte: „Setz dich mal auf den Sattel und stell die Füße auf die Pedale. Hier musst du treten. Keine Sorge ich halte das Fahrrad fest.“ Er schaute nach unten auf seine Füße und begann zu treten, ich ging mit. „Jetzt schau mal nach vorne!“ Mein Sohn schaute nach oben und hörte auf zu treten. „Weitertreten nicht vergessen.“ Nach einigen Metern klappte es schon recht gut und nach ein paar Minuten ließ ich immer mal wieder den Sattel los, bis er schließlich auch ohne mich weiterfahren konnte, erst noch unsicher, mit der Zeit immer sicherer. Dann kam das eigene Anfahren (siehe Bild oben) und später auch das Bremsen dazu. Einige Mal fiel mein Sohn beim Anfahren hin und war frustriert. Ich ermutigte ihn, nicht aufzugeben und weiter zu üben und gab immer mal wieder kleine Tipps. Mittlerweile hat er natürlich das Fahrradfahren gelernt und wir konnten im vergangenen Sommerurlaub kleine Fahrradtouren machen.

Für mich ist das ein guter Vergleich für Jüngerschaft. Während man Laufen mehr oder minder selbst lernt, bekommt man das Fahrradfahren in der Regel beigebracht. Ein Jünger wird man meist auch nicht einfach so von selbst, zumindest nicht im Idealfall. In Matthäus 28, 18-20 ist das Hauptverb nicht Geht, Tauft oder Lehrt halten, sondern „Macht zu Jüngern“. Ein bisschen holprig, aber dicht am griechischen Urtext könnte man übersetzen „während/indem ihr geht, tauft und halten lehrt, macht zu Jüngern!“ Wie macht man zu Jüngern? Indem man geht, gute Nachricht weitererzählt, Leute tauft und die Leute dann das Halten lehrt, was Jesus seinen Jüngern geboten hatte.

Der Unterschied zwischen einem Lehrvortrag halten und Halten lehren

Als ich meinen Söhnen das Fahrradfahren beigebracht habe, habe ich mich dann vor jedem hingestellt und einen Lehrvortrag über das Fahrrad und das Fahrradfahren gehalten? Etwa so: „Schau mal, das ist ein Fahrrad, zwei Räder, ein Sattel, ein Lenker und zwei Pedale. Auf den Sattel setzt du dich, mit dem Lenker lenkst du und wenn du schnell genug in die Pedale trittst, kannst du Fahrradfahren. Damit ist alles Wichtige gesagt. Probier mal selbst, wir sehen uns später.“ Meine Jungs hätten wohl gefragt: „Spinnst du, Papa?“ Nein, Fahrradfahren lernt man nicht durch einen sachlich richtigen Vortrag, man bekommt es beigebracht und nichts anderes meint „Lehrt (zu) halten“.

Die Jünger wussten aus eigener Erfahrung, dass es nun ihre Aufgabe war, den Menschen, die durch sie zum Glauben kamen, die Dinge beizubringen, die Jesus ihnen selbst beigebracht hatte.

Wir müssen können, was wir anderen beibringen wollen

Vor vielen Jahren als Pastor sagte ich zu einer Reihe von jungen Leuten in meiner Gemeinde: „Wenn eure Freunde euch fragen, wie sie gewinnbringend die Bibel lesen, wie sie beten, wie sie Gottes Stimme hören können, dann schickt sie nicht zu mir, sondern bringt es ihnen selbst bei.“ Ihre Antwort war mehr oder minder übereinstimmend: „Aber das können wir doch selbst nicht richtig, wie sollen wir es dann jemand anderem beibringen?“ Ganz klar: Was man selbst nicht richtig kann, kann man jemand anderem auch nicht wirklich beibringen. Leider haben wir viele Dinge gar nicht erst gelernt, die wir anderen (jungen) Christen beibringen sollten, weil das Jüngermachen in der jüngeren Kirchengeschichte in Vergessenheit geraten ist und weitestgehend durch das Predigen am Sonntagmorgen ersetzt wurde.

Do it Yourself-Jünger

Natürlich bedeutet der Mangel an Jüngermachern nicht, dass niemand mehr ein Jünger geworden ist, aber oft ist der Lernprozess schwieriger: Wir lernen durch Bücher, schauen uns Dinge von Menschen ab, auch wenn sie uns nicht direkt trainieren und werden zu so etwas wie Do it Yourself-Heimwerkern, die sich ihr Können anlesen oder auf Youtube-Videos abschauen. Aber wer schon einmal eine Wand verputzen wollte, weiß, dass man so etwas weitaus besser lernt, wenn man jemanden hat, der es einem erst vormacht, dann assistiert, dann zuschaut und notwendige Tipps gibt. Ein Youtube Video ist nicht halb so hilfreich.

Der Heilige Geist ist der beste Lehrer, aber…

Natürlich haben wir einen Lehrer, der uns an alles erinnern kann:

Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Joh 14,26 (rev.Elberfelder)

Das ist richtig, aber leider hatten die meisten Christen, die ich bisher in konservativen, evangelikalen Kreisen getroffen habe, wenig bis keine Erfahrung darin, auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören. Meine eigenen Anleiter dazu steckten zwischen zwei Buchdeckeln. Zum anderen gibt es neben dieser leisen Stimme auch ein starkes Grundrauschen um uns herum. Der Heilige Geist will zwar reden, aber wir müssen uns auf sein Reden auch konzentrieren, sonst wird es leicht übertönt.

Zum Grundrauschen gehört nicht nur die Welt, sondern auch viele zwar gut meinende, aber auch nicht wirklich brennende Christen, die ebenfalls ihr Umfeld prägen. Augustinus wird das Zitat zugeschrieben, dass wir in anderen nur das entfachen können, was in uns selbst brennt. Ich kenne einige junge Leute in Deutschland verteilt, die sich gerne von für Jesus brennenden Vorbilder prägen lassen wollen, diese aber in ihrem Umfeld einfach nicht finden. Umso wichtiger, dass wir selbst für Jesus brennen.

Ein gutes Fundament

Paulus hat den Ephesern den ganzen Ratschluss Gottes verkündet und ist deshalb guten Gewissens weitergezogen (Apg 20,27). In Ephesus war er aber auch recht lang (vermutlich 2-3 Jahre), in anderen Orten war er kürzer. Wenn es für den ganzen Ratschluss Gottes zeitlich nicht reicht, was wären denn die Themen, die wir jungen Christen halten lehren wollen, damit sie ein gutes Fundament für Ihr Leben als Jünger haben?

Leider finden wir weder bei Jesus noch bei Paulus ein vorgefertigtes Kurrikulum, das wir einfach abarbeiten könnten und vermutlich muss jeder daher für sich selbst prüfen, was er für überlebenswichtig hält. Für mich sind es drei Bereiche: Erstens die Liebe Gottes, die alles wie ein Fundament unterzieht. Zweitens das stille Kämmerlein mit allen Fragen, wie ich ganz konkret meine persönliche Beziehung zu Gott pflegen kann. Und drittens der Glaube: Was glaube ich, wie lebe ich mein Leben?

  1. Die Liebe Gottes

Das Ziel aller Unterweisung ist die Liebe (1.Tim 1,5). Gott zeigte seine Liebe, dass er seinen Sohn sandte (Joh 3,16). Niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben gibt für seine Freunde, also Jesus (Joh 15,13). In dieser Liebe sollen wir gegründet und gewurzelt sein (Eph 3,17) und diese Liebe drängt uns, denen davon zu erzählen, die sie noch nicht erfahren haben (2.Kor 5,14ff).

  1. Das stille Kämmerlein
  • Wie verbringe ich Zeit mit Gott? Wie bete ich?
  • Wie lese ich die Bibel? Wie kann ich sie verstehen?
  • Wie höre ich auf das Reden des Heiligen Geistes?
  1. Glauben
  • Was muss ich tun, um gerettet zu werden?
  • Was bedeutet die Taufe? Wie taufe ich jemanden?
  • Weitererzählen: Gottes Geschichte, meine Geschichte, wie bete ich für Menschen?
  • Gemeinde als geistliche Familie

Bei diesem „Fahrradtraining“ verfolge ich zwei grundlegende Ansätze: Zum einen in der Art, wie ich trainiere, nämlich Vormachen, Assistieren, Zuschauen und Feedback geben. Zum anderen, wie der Teilnehmer damit umgehen soll: Lernen, Umsetzen und Weitergeben. Konkret zum Beispiel: Wie ernähre ich mich selbst? Wie kann ich das Gelernte in meinem Leben umsetzen? Wie kann ich das Gelernte an andere weitergeben? So werden aus Jüngern wieder selbst Jüngermacher. Das ist mein Ziel.