jesusgospel

Sicher, das Bild will ein bisschen provozieren, aber ich möchte mit diesem (wie auch schon mit dem letzten) Post noch einmal deutlich machen, dass es notwendig ist, außerhalb dessen zu denken, was wir klassisch als Evangelium definieren.

Beginnen möchte ich exemplarisch mit diesem Vers:

Und Jesus ging ringsum in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. Matthäus 9,35 (Luther 84 Übersetzung)

Bestimmt habt ihr euch beim Lesen dieses oder eines ähnlichen Verses die Frage gestellt, was Jesus da eigentlich gepredigt hat. Denn wenn das Evangelium in etwa das ist, was die 4 Punkte, EE oder die Brücke veranschaulichen wollen, wäre es für Jesus recht schwer gewesen, dieses Evangelium zu predigen, denn er war ja noch nicht am Kreuz gestorben.

Konnte Jesus also überhaupt Evangelium predigen? Ausgehend von einem klassischen Verständnis muss die Antwort „Nein“ lauten.
Warum aber schreibt Matthäus dann, dass Jesus das Evangelium (also die gute Nachricht) vom Reich Gottes predigte?

Auf meiner Entdeckungsreise nach dem Evangelium habe ich die unterschiedlichsten Bücher zu dem Thema gelesen. In Scot McKnights King Jesus Gospel beschreibt McKnight eine Begegnung mit einem Pastor. Dieser fragte ihn, woran er gerade schreiben würde. McKnights Antwort: „Ein Buch über die Bedeutung des Evangeliums.“ Darauf der Pastor: „Das ist einfach: Rechtfertigung aus Glauben.“ Überrascht von der Deutlichkeit der Aussage fragte McKnight zurück: „Hat Jesus das Evangelium gepredigt?“ Die Antwort des Pastors: „Nein, konnte er gar nicht. Bis Paulus hat niemand hat das Evangelium  verstanden. Vor dem Kreuz, der Auferstehung und Pfingsten konnte niemand das Evangelium verstehen.“ – „Nicht mal Jesus?“ – „Nein, gar nicht möglich.“ Scott McKnight schreibt, dass er gern angefügt hätte: „Armer Jesus, auf der falschen Seite des Kreuzes geboren, kam er nicht dazu, das Evangelium zu predigen.“

So deutlich zuspitzen würden es vermutlich die wenigsten Christen, aber die Reduzierung auf ein „Minimalevangelium“ hält uns davon ab, die ganze Fülle des Evangeliums zu erkennen. Und so glaube ich, dass wir sowohl von Jesus als auch von Paulus extrem Wichtiges über das Evangelium erfahren können. Manches hat Jesus zunächst erst angedeutet oder angekündigt bevor es durch seinen Tod und seine Auferstehung erst möglich wurde.  Aber es ist nicht weniger Teil des Evangeliums und selbstverständlich konnte Jesus Evangelium schon vor seinem Tod predigen. War es schon in Fülle verfügbar? Wohl nicht. Genauso tun wir aber auch Paulus Gewalt an, wenn wir wirklich annehmen, dass Paulus das übliche „Minimalevangelium“ für das Evangelium gehalten hätte.

Dazu passt das Zitat NT Wrights aus der Widmung des oben genannten King Jesus Gospel-Buches (meine Übersetzung):

Ich habe kein Problem mit dem, was Menschen normalerweise meinen, wenn sie vom „Evangelium“ sprechen. Ich glaube nur nicht, dass es das ist, was Paulus meint. In anderen Worten: Ich leugne nicht, dass die gewöhnliche Füllung des Begriffs Dinge sind, die Menschen sagen, predigen oder glauben sollen. Ich würde nur nicht das Wort „Evangelium“ benutzen, um diese Dinge zu beschreiben.

I am perfectly comfortable with what people normally mean when they say “the gospel”. I just don’t think it is what Paul means. In other words, I am not denying that the usual meanings are things that people ought to say, to preach about, to believe. I simply wouldn’t use the word “gospel” to denote those things. NT Wright

Das soll als Ermutigung genügen, einmal außerhalb gewöhnlicher Denkmuster (also „out of the box“) zu denken.

Bevor ich meine Reihe mit der positiven Füllung des Evangeliums beginne, möchte ich Jesus um seinen Segen und seine Führung für die nächsten Posts zum Evangelium bitten:

Jesus, ich danke dir für die gute Nachricht, die so gut ist, dass sie schon fast an ein Märchen grenzt, die fast zu gut um wahr zu sein ist. Mein Wunsch und Gebet ist, dass du uns die ganze Größe von dem zeigst, was du möglich gemacht hast. Hilf uns, dich klarer zu erkennen und schenke uns, offen zu sein für ganz neue Gedanken und Impulse. Hilf mir, Dinge klar und hilfreich zu formulieren und schenk uns einen wirklich guten Austausch darüber, der uns dir und deiner guten Nachricht näher bringt. Hilf uns zu verstehen, was dein vollbrachtes Werk am Kreuz alles umfasst und was du uns alles damit geschenkt hast. Jesus, du bist der Beste, der uns passieren konnte. Ich danke dir für dich und die gute Nachricht, die du gebracht hast. Amen.