Gebet ist eine der schönsten und eine der wichtigsten Dinge im Leben. Und dennoch sehe ich, dass viele Menschen weitaus weniger Zeit im Gebet verbringen als sie es eigentlich gern würden. Meines Erachtens liegt das an einem falschen Verständnis von Gebet und einem verqueren Bild von Gott.
Nehmen wir einmal an, wir beten für eine Person, eine Familie oder einen ganzen Ort, für Menschen, die bisher noch nicht an Jesus glauben.
In Normalfall beten wir dann, dass Gott ihnen begegnet, dass er sie zu sich zieht, dass er ihnen gnädig ist, dass er sich ihnen offenbart, dass er ihnen zeigt, wie sehr er sie liebt und wie sehr sie ihn brauchen. Und dann beten wir dies gebetsmühlenartig immer und immer wieder. Manche nennen das dann Ringen oder Kämpfen mit Gott. Ich nenne das schräg.

Wir bitten zu Gott, dass er uns etwas gibt, was er zwar gerne geben will, aber es solange verbissen festhält bis wir lange genug (und vielleicht auch noch gemeinsam mit vielen Betern) mit ihm darum gerungen haben, damit er uns das endlich schenkt, was er uns eigentlich schon von Anfang an schenken wollte.
Oder manchmal habe ich den Eindruck, dass wir so beten, als ob wir mit unserem Gebet Gott dazu bringen wollen, Menschen doch so zu lieben wie wir es tun. Und auch wenn wir das nie so sagen würden, beten wir so, als ob wir eigentlich denken: „Wenn Gott diese Stadt nur halb so sehr lieben würde, wie ich es tue, dann hätte er sie schon längst errettet.“
Natürlich ist das überzeichnet, aber es zeigt das verquere Bild von Gott und Gebet, das uns oft prägt und das uns letztlich nicht zum Gebet zieht, denn aus Pflichtgefühl wird niemand zum Beter.

Jesus malt ein ganz anderes Bild von Gebet und Gott. „Wenn jemand von euch um Mitternacht zu einem Freund geht und ihn um drei Brote bittet, wie wird sein Freund antworten?“ Die Antwort liegt auf der Hand: Natürlich hilft er, schließlich ist er ja ein Freund. Und sollte ihm das nichts bedeuten, so steht er zumindest auf, weil er so gedrängt wird. Daraufhin lesen wir: „Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Lukas 11,9) Mit anderen Worten: Wenn schon ein Freund euch hilft und wenn euch sogar jemand hilft, dem die Freundschaft nichts bedeutet, wie viel mehr dann euer Vater im Himmel? Der Vergleich mit Vater, Sohn, Fisch und Schlange schließt sich direkt im Text an. Was will Jesus sagen? Gott ist euer Vater, noch viel mehr als ein Freund, der euch gerne geben will, darum bittet ihn!

Unser Bild von Gott, der nicht geben will, obwohl er ja eigentlich doch geben will, wird vermutlich am meisten durch eine unbewusste und auch stark verbreitete, aber nicht weniger falsche Auslegung des Gleichnisses vom ungerechten Richter geprägt (Lukas 18):
Jesus erzählt die Geschichte von einem Richter, den er als ungerecht und als jemanden bezeichnet, der Gott nicht fürchtet.
Und dieser Richter lässt sich von der Witwe dann nach längerer Zeit dazu breit schlagen, ihr Recht zu verschaffen.

Und wir nehmen dieses Gleichnis von dem ungerechten Richter, der Gott nicht fürchtet, als ein Bild für Gott, mit dem wir kämpfen müssen, dass er uns das gibt, was uns zusteht, obwohl er es uns eigentlich gar nicht geben will?

So abstrus sich das auch so zugespitzt anhört, so sehr hat sich dieses Bild doch in unser Verständnis von Gott und Gebet eingeschlichen.
Dabei kann doch allein aufgrund der Beschreibung (ungerecht, fürchtet Gott nicht) der Richter kein Bild für unseren liebenden Vater sein.
Jesus will sagen: Gott ist ganz anders! Wenn schon der Richter, der ungerecht ist, der Witwe zu ihrem Recht verhilft, wie viel mehr euer Vater im Himmel. Deshalb bittet ihn!

Natürlich sind damit noch nicht die Fragen rund um unbeantwortete Gebete beantwortet, aber dieses Thema werde ich in einem nächsten Post angehen.

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